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Prof. Dr. Christoph Graf von Bernstorff

ist Rechtsanwalt der Kanzlei Ahlers & Vogel Rechtsanwälte PartG mbB in Bremen und Professor für internationales Wirtschaftsrecht an der Hochschule Bremen

Der EU-Markt wurde bei Handelsgeschäften bislang als beinahe risikofreier Markt eingeschätzt, in dem vermeintlich gleiches (weil „harmonisiertes“) Recht gilt und keine „Länderrisiken“ bestehen würden. Daher wurden in diesem Markt oft Maßnahmen unterlassen, die im weltweiten Export sonst selbstverständlich sind, wie eine sorgfältige Vertragsgestaltung, die Überprüfung der Bonität des ausländischen Geschäftspartners und Einsatz von geeigneten Bankdienstleistungen zur Forderungssicherung und risikomindernden Abwicklung des Liefergeschäfts. Dies dürfte sich im Zuge der aktuellen Krise ändern, so dass auch hier zentrale Fragen gestellt werden müssen: Wie lassen sich Forderungen aus dem Liefergeschäft auf geeignete Weise absichern, ohne den Geschäftsablauf zu beeinträchtigen? Gibt es global anerkannte Instrumente oder muss für jedes Außenhandelsgeschäft nach neuen Wegen gesucht werden? Wie kann man auf Störungen durch unvorhersehbare Ereignisse, wie die Corona-Pandemie, angemessen reagieren?

Damit wird zukünftig noch wichtiger, auf eine geeignete Vertragsgestaltung im Exportgeschäft, Zahlungssicherung durch Kreditversicherung sowie Dienstleistungen der Banken zur Forderungs- und Zahlungssicherung und bei der Abwicklung des Geschäfts (z.B. durch dokumentäre Dienstleistungen) zu setzen.

1. Vertragsgestaltung anpassen

Gerade innerhalb der EU mangelt es oft an Risikobewusstsein und es wird zu häufig auf formlose Geschäftsabschlüsse gesetzt. Unter dem Eindruck der Corona-Krise wird immer wieder die Fragestellung thematisiert, ob sich durch die Pandemie gestörte Verpflichtungen bestehender Geschäfte mit Hinweis auf „Force Majeure“ aussetzen oder ganz aufheben ließen. Dabei muss untersucht werden, welche Vertragspartei welche Leistung zu erbringen hätte und wer von beiden die ihr obliegenden Verpflichtung nicht in der vereinbarten Form erfüllen kann. Dabei kann es durchaus ein Ergebnis sein, dass ein Leistungshindernis nur vorübergehend besteht und die Leistung zu einem verspäteten Zeitpunkt (und eventuell in veränderter Form) noch nachgeholt werden kann. Zeigt der Vertrag keine Lösungsmöglichkeit für die Behebung des Leistungshindernisses, muss geklärt werden, welche Vertragspartner das Risiko dafür zu tragen hat, dass eine zugesagte Leistung nicht erfüllt wird. Dieser Aspekt der „Risiko- bzw.  Gefahrtragung“ spielt ja bekanntlich auch eine wichtige Rolle bei der Anwendung von Lieferbedingungen (z.B. bei Einsatz einer Klausel der Incoterms 2020), aus der eine Lösung dieser Fragestellung hergeleitet werden kann. Da „Force Majeure“ aber kein feststehendes Rechtsinstitut ist, das sich im Übrigen ohnehin auch nach der Rechtsordnung des Staates zu richten hat, die für das jeweilige Vertragsverhältnis zur Anwendung gelangt, kam man zu der Erkenntnis, dass die Problematik von Corona-bedingten Leistungshindernissen ohne im Vertrag bereits vorhandene ausdrückliche Force Majeure Regelung immer von Fall zu Fall und individuell zu beurteilen sei. Immerhin soll es – unter den engen Voraussetzung, dass sich die Grundlage eines bestehenden Geschäfts schwerwiegend verändert hat und es ferner auch im Interesse beider Geschäftspartner ist – nur im Einzelfall möglich sein, eine Vertragsanpassung (z.B. nach § 313 BGB) zu erreichen.

Daher besteht die Empfehlung, in künftigen Geschäftsabschlüssen eine Regelung aufzunehmen, falls durch Aufkommen höherer Gewalt Leistungshindernisse zu befürchten sind. Die Internationale Handelskammer (ICC) hat hierzu neue Musterklauseln veröffentlicht (ICC Force Majeure and Hardship Clauses 2020, vgl. Artikel), bei deren Anwendung als weltweit anerkannte Textmuster mit einer breiteren Akzeptanz bei Geschäftsabschlüssen gerechnet werden kann. Ein Force Majeure-Ereignis im Sinne der ICC-Musterklauseln liegt vor, wenn ein Vertragshindernis außerhalb der angemessenen Kontrolle einer leistungspflichtigen Vertragspartei liegt, ferner dessen Eintritt zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses noch nicht vorhersehbar war und schließlich die Auswirkungen des Hindernisses von der leistungspflichtigen Partei nicht vermieden werden konnte.

2. Bankdienstleistungen mit Absicherungen nutzen

Neben dem Einsatz einer speziellen Force Majeure/Hardship-Klausel – oder auch anstelle einer solchen Klausel – kommt es auch in Betracht, eine Zahlungssicherung durch Verabredung einer geeigneten Zahlungsbedingung zu erreichen, die dem Lieferanten einer Leistung gegenüber sicherstellt, dass er seine Geldforderung erfüllt bekommt, auch wenn die direkte Geldzahlung des Vertragspartners ausfällt oder sich verspätet. Hier kommt vor allem der Einsatz von Bankdienstleistungen in Betracht, wie sie seit langem – und sehr bewährt – vor allem in den Instrumenten der Zahlungssicherung durch Bankgarantien und Dokumentenakkreditiv bestehen und ergänzt werden durch weitere Formen (wie etwa durch das bankengestützte Dokumenteninkasso), wobei alle diese Dienstleistungen durch die Bank des zahlungspflichtigen Geschäftspartners zu erbringen sind. In Betracht kommt die Variante eines Einsatzes von Bankdienstleistungen immer dann, wenn ein Geschäftspartner in Vorleistung geht und es dem Geschäftspartner über die Einräumung eines Zahlungsziels ermöglicht, die Gegenleistung erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen.

Damit der Einsatz eines Bankinstruments gelingen kann, sind neben einer zwischen den Geschäftspartnern entsprechend zu vereinbarenden Zahlungsbedingung weitere Voraussetzungen zu erfüllen: Eine Bank wird ein abstraktes Zahlungsversprechen, wie es Bankgarantie oder Akkreditiv darstellen, nur abgeben, wenn der Bankkunde über eine ausreichend gute Bonität verfügt.

Dass die herkömmlichen Bankdienstleistungen – trotz aller aktuellen Entwicklungen der digitalen Welt – immer noch eine große Bedeutung für die weltweiten Unternehmensaktivitäten haben, zeigen die in regelmäßigen Abständen von der ICC herausgegebenen Publikationen (ICC Global Survey on Trade Finance 2020). Selbst Dokumentenakkreditive stellen trotz ihrer Komplexität danach sehr gefragte Zahlungssicherungsinstrumente dar und kommen den Statistiken der ICC Publikation zufolge auch im EU-weiten Unternehmensgeschäft nach wie vor überaus häufig zur Anwendung.

Wichtig sind an dieser Stelle zwei Feststellungen. Zum einen haben Force Majeure-Klauseln in Unternehmensverträgen (wie etwa die ICC Force Majeure Clauses 2020) keine Auswirkung auf die Abwicklung der Zahlungssicherungsinstrumente von Banken. Zahlungsversprechen der Banken sind vom Grundgeschäft der Unternehmen immer unabhängig, wie es sich für Dokumentenakkreditive beispielsweise ausdrücklich aus Art. 4 ERA 600 (ICC Richtlinien für Dokumentenakkreditive) ergibt. Zum anderen stellt sich gerade im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie auch die Frage, ob die Banken sich auf die Regelungen über höhere Gewalt berufen können, wenn die Bankkunden ein Zahlungssicherungsinstrument auf Basis von ICC-Richtlinien vereinbart haben. Die ICC hat sich dazu entsprechend geäußert (siehe Kasten).

3. Weitere Möglichkeiten der Zahlungssicherung

Neben den Möglichkeiten der Zahlungssicherung über die Vertragsgestaltung, die unmittelbar zwischen den Geschäftspartnern erfolgt, auf deren Vertragsverhältnis sich Leistungshindernisse direkt auswirken, besteht weiterhin die Möglichkeit des Leistungserbringers, sich gegen das Risiko des Forderungsausfalls Schutz über eine Kreditversicherung zu suchen, was – je nach Fallkonstellation und je nach Vorliegen der dafür zu beachtenden Voraussetzungen – durch Zusagen staatlicher und / oder privater Kreditversicherer geschehen kann.

Daneben besteht schließlich auch noch die Variante, ein Zahlungsausfallrisiko dadurch auszuschließen, dass eine Einzelforderung oder ein ganzer Forderungsbestand regressfrei verkauft wird, sei es – je nach Erfüllen der dafür zu beachtenden Voraussetzungen – im Wege des Factorings oder aber einzelfallweise im Wege der Forfaitierung.

Fazit

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass Unternehmen sich bei Vorliegen pandemieverursachter Leistungshindernisse nur dann sicher vor Regressforderungen ihres Geschäftspartners schützen können, wenn sie in künftige Geschäftsabschlüsse entsprechende Schutzregelungen (etwa in Form von Force Majeure / Hardship-Clauses) aufnehmen. Daneben bietet es sich an, immer dann, wenn dem Geschäftspartner ein Zahlungsziel eingeräumt wird, auszubedingen, dass die Bank des Forderungsschuldners die pünktliche und vollständige Bezahlung (durch abstraktes Zahlungsversprechen) zusichert. Hier kommt dann vor allem der Einsatz von Bankgarantien oder Akkreditiven in Betracht. Lassen sich dagegen die vertragsgestützten Schutzmechanismen nicht durchsetzen, bleibt dem Forderungsinhaber noch die Variante, sich Schutz durch Kreditversicherung oder Forderungsverkauf zu suchen.

Weitere Dokumente zum Thema

Die ICC hat im April 2020 einen Leitfaden „Guidance paper on the impact of COVID-19 on trade finance transactions issued subject to ICC Rules“ zu der Frage veröffentlicht, welchen Einfluss höhere Gewalt auf Zahlungssicherungsinstrumente hat. Die ICC zeigt darin auf, wie bestimmte Klauseln der ICC-Bankenregeln in einem Akkreditiv oder einer Bankgarantie angepasst werden können, um Störungen in den Geschäftsabläufen der Banken zu begegnen.

Die neuen ICC-Publikationen(ICC  Trade Register Report 2019 und ICC Global Survey on Trade Finance 2020) greifen zudem bereits die Auswirkungen von Covid-19 auf die weltweiten Bankdienstleistungen im Bereich der Handelsfinanzierung auf und kommen zu dem Ergebnis, dass das Angebot nach Handelsfinanzierungsprodukten auch in den kritischen Phasen der Corona-Pandemie verfügbar und zugänglich ist, was auf die hohe Widerstands- und Anpassungsfähigkeit der Handelsfinanzierung zurückzuführen ist.

Der Beitrag ist im ICC-Germany-Magazin, Nr. 11, erschienen. Mehr über unser Magazin erfahren und kostenfrei als E-Paper abonnieren.