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Dr. Philipp Stompfe, LL.M. (London)

ist Rechtsanwalt im Berliner Büro von Alexander & Partner Rechtsanwälte mbB. Dr. Stompfe ist vorwiegend in der internationalen Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit tätig. Er ist spezialisiert auf nationales und internationales Investitions- und Wirtschaftsrecht.

Die deutsche Investitionskontrolle wird durch das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und die Außenwirtschaftsverordnung (AWV) geregelt, die in den letzten Jahren wiederholt verändert wurden. Die vorgenommenen Reformen haben erhebliche Auswirkungen auf die internationale Investitionspraxis im Zusammenhang mit deutschen Zielunternehmen. Daher wird eine detaillierte Analyse der investitionskontrollrechtlichen Risiken für ausländische Investoren wichtiger denn je, um Transaktionshindernisse, unerwartete Verzögerungen und sogar strafrechtliche Sanktionen zu vermeiden. Dies gilt auch für noch nicht abgeschlossene Transaktionen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der entsprechenden Gesetzesänderungen noch nicht vollzogen sind und daher unter die neuen, strengeren Regeln fallen.

Diese nationalen Entwicklungen sind zudem im Kontext des Inkrafttretens der Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Schaffung eines Rahmes für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen (Verordnung 2019/452) zu sehen, in welcher zwingende Mindestanforderungen und eine „Koordinierungspflicht“ in Bezug auf nationale Kontrollmechanismen festgelegt werden.

Ausgangslage

Traditionell bieten die Länder der EU, insbesondere Deutschland, ein relativ offenes Investitionsregime für ausländische Investoren. Nach den kritisch diskutierten Firmenübernahmen und geplanten Akquisitionen deutscher und europäischer Unternehmen, insbesondere durch chinesische Staatsunternehmen, existiert jedoch eine wachsende Besorgnis in Deutschland und der EU hinsichtlich ausländischer Investitionen durch Nicht-EU-Investoren.

Daher sind die Kontrollmechanismen ausländischer Investitionen zu einem immer wichtigeren Thema bei grenzüberschreitenden Transaktionen geworden, die eine eingehende rechtliche Risikobewertung und -kontrolle vor dem Abschluss der Transaktion erfordern.

Dies wird insbesondere durch die jüngsten Änderungen der geltenden Gesetze in Deutschland deutlich, die zu wesentlich strengeren und umfassenderen Regelungen ausländischer Investitionen führen. Zudem werden die Rechte der zuständigen Behörden hinsichtlich der Überwachung und Beschränkung ausländischer Investitionen erheblich erweitert.

Die nach dem Außenwirtschaftsgesetz in Verbindung mit der Außenwirtschaftsverordnung vorgesehene Struktur und der Umfang der Investitionsprüfung sieht vor, dass das Bundesministerium für Wirtschaft („Ministerium“) als zuständige deutsche Behörde eine umfassende Prüfungskompetenz hinsichtlich des Erwerbs von Anteilen an deutschen Zielunternehmen durch Nicht-EU-Investoren besitzt. Von besonderer Bedeutung für ausländische Direktinvestitionen ist die Kontrolle von sektorspezifischen und sektorübergreifenden Investitionen durch Nicht-EU-Investoren.

Änderung der Außenwirtschaftsverordnung – Schutzbereich

Definierte Branchen und Absenkung der Eingriffswerte

Bereits im Dezember 2018 hat der deutsche Gesetzgeber die Schwelle des Eintretens der Kontrollbefugnis ausländischer Direktinvestitionen auf den Erwerb von 10 Prozent der Stimmrechte in einem deutschen Zielunternehmen, das im Militär- und Verschlüsselungssektor oder im Bereich der kritischen Infrastruktur tätig ist, gesenkt. Zu den kritischen Infrastrukturen gehören derzeit insbesondere Anlagen und Systeme in den Bereichen Energie, Wasser, Lebensmittel, Telekommunikation, Transport, Finanzen, Versicherungen und Gesundheitswesen.

Ausweitungen des Gesundheitssektors

Im Zuge der 15. Gesetzesänderung der Außenwirtschaftsverordnung, die im Juni 2020 in Kraft trat, wurden die Regeln für die Kontrolle ausländischer Investitionen in Deutschland weiter verschärft, insbesondere wurde der Umfang der Investitionskontrolle erheblich erweitert.

Ausgelöst durch die COVID-19-Pandemie, aber auch getrieben durch die Befürchtung vergleichbarer Krisensituationen in der Zukunft, ist die Bundesregierung zu der Überzeugung gelangt, dass eine sektorübergreifende Investitionskontrolle in ihrer bisherigen Form nicht ausreicht, um die Aufrechterhaltung eines funktionierenden Gesundheitssystems in Deutschland langfristig zu gewährleisten. Die 15. Änderung des AVW erweitert daher den Kreis der berichtspflichtigen Transaktionen mit dem Ziel, ein breites Spektrum ausländischer Beteiligungen an deutschen Zielunternehmen, die im Bereich des Gesundheitswesens und der Infektionskontrolle tätig sind, abzudecken. Der Schwerpunkt der Neuregelung liegt eindeutig auf dem Gesundheitssektor. So werden Impfstoff- und Antibiotikahersteller, Hersteller von medizinischer Schutzausrüstung und Hersteller von medizinischen Gütern zur Behandlung hochansteckender Krankheiten in die Liste der besonders sicherheitsrelevanten Unternehmen aufgenommen.

Änderung des Außenwirtschaftsgesetz – Kriterien für Untersagung

Weiterhin hat die Bundesregierung am 8. April 2020 den Entwurf zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetz beschlossen. Die Änderung des Außenwirtschaftsgesetz wurde am 16. Juli 2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist am 17. Juli 2020 in Kraft getreten. Konkret betrifft die Änderung das Außenwirtschaftsgesetz in drei Kernbereichen:

Massive Ausweitung der Eingriffsbefugnis

Die Eingriffsbefugnis des Ministeriums wird erheblich erweitert. Ausländische Investitionen können im Bereich der sektorübergreifenden Investitionsprüfung bereits dann eingeschränkt und untersagt werden, wenn durch den Erwerb die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines anderen Mitgliedstaates „beeinträchtigt werden könnte“. Bisher war eine „tatsächliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ erforderlich. Darüber hinaus sollen nicht nur nationale Interessen, sondern auch Interessen anderer EU-Mitgliedsstaaten in die Bewertung einbezogen werden. In der Konsequenz bedeutet dies, dass Sicherheitsbedenken der EU und anderer Mitgliedsstaaten eine wesentliche Rolle im Rahmen eines deutschen Prüfverfahrens spielen können.

Der vom Gesetzgeber gewählte Begriff der „Beeinträchtigung“ stellt zudem klar, dass im Sinne der Intensität künftig auch ein geringerer Gefährdungsgrad ausreicht, um Verbote oder einschränkende Maßnahmen zu veranlassen. Damit steigt das Risiko eines Eingriffs durch das Ministerium erheblich. In Zukunft wird das Ministerium in der Lage sein, Transaktionen zu verbieten oder Maßnahmen zu verhängen, die auf der bloßen Möglichkeit beruhen, dass die Transaktion „die öffentliche Ordnung oder Sicherheit wahrscheinlich beeinträchtigt“.

Schwebende Unwirksamkeit der Transaktion

Alle in Deutschland anzeigepflichtigen Transaktionen sind bis zu ihrer Freigabe als schwebend unwirksam zu betrachten. Bisher unterlagen nur so genannte sektorspezifische Transaktionen, insbesondere im Rüstungsbereich, einer solchen Verpflichtung, während bei allen anderen Sektoren der Transaktionsvorgang bereits während der Prüfung durch das Ministerium abgeschlossen wurde.

Bei vorsätzlicher Verletzung droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren, bei Fahrlässigkeit zumindest eine erhebliche Geldstrafe. Verkäufer dürfen Erwerbern nicht die Möglichkeit geben, Einfluss auf die Zielgesellschaft zu nehmen, bevor die Transaktion vom Ministerium genehmigt wurde. Daher muss im Kaufvertrag der Abschluss der Transaktion von der aufschiebenden Bedingung der endgültigen Genehmigung durch das Ministerium abhängig gemacht werden.

Etablierung klarer Verfahrensfristen

Die Verfahrensfristen wurden umfassend geregelt. Bisher war die Dauer des Überprüfungsverfahrens nicht vorhersehbar, da der Überprüfungszeitraum mit jedem Informationsersuchen neu begann. Für das Vorverfahren gilt nun eine Frist von zwei Monaten. Wenn das eigentliche Prüfverfahren offiziell eröffnet wird, kommen vier Monate hinzu, in komplexen Fällen ist eine Verlängerung von bis zu acht Monaten möglich.

Auswirkungen für die Praxis

Längere und komplexere Prüfverfahren

Durch die nun höheren Anforderungen der Investitionskontrolle haben die Änderungen des Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung das Prüfverfahren deutlich komplexer gemacht und somit verlängert. Insbesondere durch die Einbeziehung der Kommission und der anderen Mitgliedstaaten werden sich die Verfahren im Einzelnen verlängern. Um die Gewährleistung einer erfolgreichen Transaktion zu erleichtern wird eine ausführliche Prüfung von Meldepflichten von großer Relevanz sein. Auch die Beantragung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung beim Ministerium wird erheblich an Bedeutung gewinnen um schnellstmöglich Rechtssicherheit zu erlangen.

Gesteigerte Due Diligence-Anforderungen

Durch die eingeführten Handlungsverbote soll vermieden werden, dass Informationen oder Technologie abfließen und sicherheitsrelevante Informationen schon während des Verfahrens offengelegt werden. Dies wird in der Praxis besonders bezüglich der Informationen in einer Due Diligence zu beachten sein: Die Qualifikation von einzelnen Informationen als besonders relevant für die öffentliche Sicherheit und Ordnung muss gegebenenfalls vom Zielunternehmen und dem Verkäufer selbst vorgenommen werden. Da die Transaktion infolge der Änderungen erst nach Freigabe durch das Ministerium vollständig erfolgen kann, wird es für Unternehmen, deren Aktivitäten den kritischen Technologien zugeordnet sind in Zukunft umso wichtiger, die Veräußerung eines Unternehmens rechtzeitig umfassend vorzubereiten.

Risiko für Investoren

Den Transaktionsbeteiligten muss bewusst sein, dass das Ministerium zukünftig geplante Transaktionen bereits dann verbieten oder unter Auflagen stellen kann, sofern die bloße Möglichkeit existiert, dass die Transaktion die öffentliche Ordnung oder Sicherheit wahrscheinlich beeinträchtigt. Zudem ist zwingend zu berücksichtigen, dass alle in Deutschland anzeigepflichtigen Transaktionen bis zu ihrer Freigabe als schwebend unwirksam zu betrachten sind. Zur Reduzierung der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit gewinnt das Instrument der Unbedenklichkeitsbescheinigung erheblich an Bedeutung.

Fazit: Änderung Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung

Deutschland und Europa profitieren erheblich von offenen Märkten für Waren, Dienstleistungen und Investitionen. Deutsche Unternehmen expandieren ins Ausland und umgekehrt arbeiten allein in Deutschland 3,2 Millionen Arbeitnehmer für 16.817 Unternehmen, an denen ausländische Investoren beteiligt sind (BDI, August/2020). Die traditionelle Offenheit Deutschlands und der EU gegenüber ausländischen Investitionen ist somit eine entscheidende Grundlage ihres Wohlstands und Wettbewerbsfähigkeit und sollte daher weitestmöglich erhalten bleiben. Aus rechtspolitischer Sicht ist festzuhalten, dass den nachvollziehbaren sicherheitspolitischen Bedenken erhebliche wirtschaftspolitische Risiken entgegenstehen.

Der Beitrag zum Thema „Außenwirtschaftsgesetz“ ist im ICC-Germany-Magazin, Nr. 12, erschienen. Mehr über unser Magazin erfahren und kostenfrei abonnieren.

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