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Erik Schäfer

RA Erik Schäfer ist Partner von COHAUSZ & FLORACK, einer interdisziplinären Sozietät von Patent- und Rechtsanwälten, die technische und naturwissenschaftliche Kompetenzen mit juristischen kombiniert. Die Sozietät befasst sich beratend mit allen Aspekten der Verwertung und des Schutzes  von Technologien und des geistigen Eigentums (IP).

Nach Beobachtung des Autors werden in Schiedsverfahren recht problemlos vermehrt Schriftsätze und Beschlüsse des Schiedsgerichts mit faksimilierten Unterschriften in gegenseitigem Einvernehmen nur in elektronischer Form ausgetauscht. Gleiches gilt für Beweisurkunden. Ohne in die Tiefe gehen zu wollen, kann hierzu darauf hingewiesen werden, dass aufgrund der Formfreiheit für darin enthaltene rechtliche Erklärungen hier im Grundsatz nur dort Wirksamkeitsprobleme auftauchen, wenn ein gesetzlicher Formzwang besteht oder eine abweichende vereinbarte Form.  Hier werden an zwei Beispielen aus der geltenden ICC SchO (Stand 08/2020) die Fragen offengelegt, die sich für elektronische Signaturen im Schiedsverfahrens stellen, wo Formzwang besteht, nämlich dem Schiedsauftrag und dem Schiedsspruch, für die Unterschriften erforderlich sind.

Unterschriftserfordernis beim Schiedsauftrag

Der Schiedsauftrag (Art. 23 ICC SchO [Stand 08/2020]) ist ein Dokument, das jedenfalls heute für das ICC Verfahren spezifisch und einmalig ist. Art. 23 (2) ICC SchO sieht vor: „Der Schiedsauftrag ist von den Parteien und dem Schiedsgericht zu unterschreiben.“ Weil die Parteien die ICC SchO vereinbart haben, handelt es sich hier aus deutscher Perspektive um ein gewillkürtes Schriftformerfordernis. Der Begriff Unterschrift wird nicht autonom in der ICC SchO definiert. Allerdings erlaubt Art. 3 ICC SchO jedenfalls für alle Schriftsätze und schriftlichen Mitteilungen, sowie alle beigefügten Dokumente, die eine Partei einreicht, aber auch Mitteilungen des Sekretariats und des Schiedsgerichts die Zustellung durch eingeschriebenen Brief, Kurierdienst, E-Mail oder jede andere Form der Telekommunikation, bei der ein Sendebericht erstellt wird. Das bringt technisch zwingend die Übermittlung elektronischer Urkunden mit sich. Die derzeit in Arbeit befindliche aktualisierte ICC SchO wird die Nutzung digitaler Technologien noch weiter fördern, erwähnt aber digitale Unterschriften nicht. Bislang wurde zumindest ein von den Schiedsrichtern und Parteien handschriftlich unterzeichnetes Exemplar zu den Akten des ICC Schiedsgerichtshofs gereicht, auch wenn zuvor schon eine elektronische Übermittlung der unterzeichneten Urkunde als gescannte Kopie per E-Mail oder Telekopierer erfolgt war.

Das Unterschriftserfordernis bezieht sich dementsprechend auf eigenhändige, körperliche Unterschriften. Jedoch könnten die Parteien vereinbaren, dass (qualifizierte) elektronische Signaturen ausreichen; und zwar ggf. konkludent dadurch, dass diese schlicht verwendet werden. Nur im Falle, dass der Schiedsauftrag die Schiedsvereinbarung nicht ausfüllend, sondern z.B. erweiternd (Einbezug einer Partei, etc.) modifiziert, könnte hier zu prüfen sein, ob für die Schiedsvereinbarung ein gesetzlicher Formzwang besteht, sowie – bejahendenfalls – ob dieser nach dem anwendbaren Recht durch die elektronische Signatur gewahrt wird (siehe oben). In allen anderen Fällen würde man bei der vereinbarten elektronischen Signatur des Schiedsauftrags von einer Wirksamkeit ausgehen können. Völlig offen ist jedoch, ob der ICC Schiedsgerichtshof hierin nicht eine Änderung seiner SchO in einem Bereich sehen wird, der gemäß seiner Praxis nicht zur Disposition der Parteien steht. Zumindest in der Außenkommunikation hat sich der ICC Schiedsgerichtshof bislang nicht dazu geäußert. Jedenfalls bei Verfahren innerhalb der EU zwischen Parteien mit Sitz in der EU sind keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken zumindest gegen (konkludent) vereinbarte qualifizierte elektronische Signaturen gemäß eIDAS (Verordnung (EU) Nr. 910/2014 nebst dazugehörender Vorschriften) unter dem Schiedsauftrag zu erkennen. Allerdings wird dem ICC Schiedsgerichtshof an einer global einheitlichen Handhabung gelegen sein, die eine Einzelfallprüfung der in irgendeinem Staat unter dessen Recht geleisteten elektronischen Signatur auch in dem Bereich, in dem Formfreiheit besteht und das Unterschriftenerfordernis gewillkürt ist, vermeidet. Die Frage der Zulässigkeit elektronischer Signaturen unter dem Schiedsauftrag ist also derzeit noch offen. Es ist bedauerlich, dass der ICC Schiedsgerichtshof zwar die rein digitale Zustellung von Schriftstücken (die meist mit Bitmap-Grafikdateien eingebundene Signaturfaksimile enthalten), einschließlich der Zustellungsfragen in der SchO mit immer detaillierteren Regeln erleichtert, die elektronische Signatur als solche aber außer Acht lässt.

Ist ein digitaler, mit qualifizierter elektronischer Signatur versehener Schiedsspruch hier anerkennungs- und vollstreckungsfähig?

Schiedssprüche (Arts‘. 32-34 ICC SchO) sind Dokumente, deren rechtliche Qualifikation nicht autonom in der ICC SchO erfolgen kann, sondern nur im Kontext der Bestimmungen der lex arbitri am Ort des Schiedsverfahrens (Art. 32.3 ICC SchO), sowie ggf. an den anwendbaren Bestimmungen am Ort an dem er anerkannt bzw. vollstreckt werden soll. Aus Art. 34 ICC SchO folgt, dass die ICC SchO die Unterzeichnung des Schiedsspruchs durch das Schiedsgericht voraussetzt. Insoweit gilt das oben zum Schiedsauftrag Ausgeführte entsprechend. Jedoch wird hier der ICC Schiedsgerichtshof, im Hinblick auf die lex arbitri, zu Recht strengere Anforderungen stellen; und zwar weil Art. 42 ICC SchO von ihm und dem Schiedsgericht fordert, „ … alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs sicherzustellen.“ Weil gesichert ist, dass eigenhändig vollzogene authentische Unterschriften auf körperlichen Urkunden das global bestehende Formerfordernis der Unterschrift des Schiedsgerichts unter Schiedssprüchen erfüllen, jedoch bei internationalen Schiedsverfahren mit einer Vielzahl von möglicherweise anwendbaren Rechten und Formerfordernissen auf mangelnder Transparenz beruhende Unsicherheit und divergierender Regelungen zur Anerkennung selbst qualifizierter elektronischer Unterschriften erhebliche rechtliche Risiken bestehen, ist zu erwarten, dass der ICC Schiedsgerichtshof auf absehbare Zeit auf dem Erfordernis der eigenhändig vollzogenen Unterschrift der Schiedsrichter bestehen wird.

Dies allein bedeutet nicht zwangsläufig, dass elektronisch unterzeichnete Schiedssprüche nicht erlassen und den Parteien zugestellt werden können, wenn die körperlichen, eigenhändig unterschriebenen Urkunden sozusagen als Back-Up vorgehalten werden bzw. ‚nachgeschickt‘ werden. Unterstellt man der Einfachheit halber, dass die elektronischen Unterschriften und die eigenhändigen Unterschriften zeitgleich erfolgen, stellt sich hier zunächst die Frage nach der wirksamen Zustellung des Schiedsspruchs. Sowohl unter dem derzeit noch geltenden Art. 3 ICC SchO, als auch der kommenden überarbeiteten Regelung enthält die ICC SchO Regelungen, die eine rein digitale Zustellung ermöglichen, sowie auch eine Bestimmung des Zugangsdatums. Laut Art. 35.1 ICC SchO „… stellt das Sekretariat den Parteien ein vom Schiedsgericht unterzeichnetes Exemplar zu.“ Laut Art. 35.3 ICC SchO „… verzichten die Parteien [mit der Zustellung gemäß Artikel 35.1] auf jede andere Form der Zustellung oder eine Hinterlegung des Schiedsspruchs durch das Schiedsgericht.“ Dies ist von den Parteien durch Bezugnahme in der Schiedsvereinbarung vertraglich so geregelt. Jedenfalls, wenn die Parteien im einzelnen Verfahren übereistimmend die Übermittlung des digitalen, mit qualifizierten elektronischen Signaturen versehenen Schiedsspruchs wünschen, sollte das, unter einer sogleich zu erörternden Voraussetzung, möglich sein. Denn laut Art. 35.6 ICC SchO ist „jeder Schiedsspruch … für die Parteien verbindlich. Durch Inanspruchnahme der Schiedsgerichtsbarkeit gemäß der Schiedsgerichtsordnung verpflichten sich die Parteien, jeden Schiedsspruch unverzüglich zu erfüllen; soweit rechtlich zulässig, gilt diese Inanspruchnahme als Verzicht der Parteien auf ihr Recht zur Geltendmachung jedweder Rechtsbehelfe.“ Im Falle einer freiwilligen Erfüllung stellen sich weitere Fragen dann faktisch nicht mehr.

Dies führt zu der zentralen Frage, ob sogar ein digitaler, qualifiziert unterzeichneter Schiedsspruch überhaupt rechtlich als Schiedsspruch und nicht nur als Kopie zu qualifizieren ist. Hier wird es global unter den lex arbitri erhebliche Unterschiede geben. Deshalb wird diese Frage beispielhaft für Deutschland erörtert, wobei eIDAS (grundsätzlich geltend ab Juli 2016) EU-weit gilt und deren Art. 46 bestimmt: „Einem elektronischen Dokument darf die Rechtswirkung und die Zulässigkeit als Beweismittel in Gerichtsverfahren nicht allein deshalb abgesprochen werden, weil es in elektronischer Form vorliegt.“ Nach Art. 25 (2) eIDAS hat „eine qualifizierte elektronische Signatur …die gleiche Rechtswirkung wie eine handschriftliche Unterschrift.“ Laut Art. 25 (2) eIDAS darf „einer elektronischen Signatur … die Rechtswirkung und die Zulässigkeit als Beweismittel in Gerichtsverfahren nicht allein deshalb abgesprochen werden, weil sie in elektronischer Form vorliegt oder weil sie die Anforderungen an qualifizierte elektronische Signaturen nicht erfüllt.“ Allerdings stellt der führende englischsprachige Kommentar zum deutschen Schiedsrecht Böckstiegel/Kröll/Nacimiento (Hrsg.) „Arbitration in Germany“ (2. Auflg. 2015) in der von Schlabrendorff/Sessler bearbeiteten Kommentierung von § 1054 ZPO (S. 345) noch lapidar unter Bezug auf andere Kommentierungen fest, dass die eigenhändige Unterschrift nicht durch eine elektronische Unterschrift ersetzt werden kann. Die Rechtlage hat sich seither nicht nur mit der eIDAS geändert, sondern auch hinsichtlich der Möglichkeit, Urteile staatlicher deutscher Gerichte in Form von digitalen Urkunden elektronisch qualifiziert zu unterschreiben. 2017 wurde mit § 130 a ZPO das elektronische Dokument in das deutsche Zivilverfahren eingeführt, sowie mit § 130 b ZPO eine qualifizierte elektronische Unterschrift der persönlich eigenhändig vollzogenen Unterschrift bei elektronischen gerichtlichen Dokumenten in ihren Rechtswirkungen gleichstellt. Weil Adressaten dieser Normen die staatlichen Gerichte sind und das 10. Buch der ZPO eine gewisse Autonomie hat, könnte man den Standpunkt vertreten, die Nichterwähnung von elektronischen Unterschriften im Rahmen ihrer Gleichstellung habe das Unterschriftserfordernis aus § 1054 (1) ZPO unberührt gelassen. Technische Gründe, hier einen Unterschied in der Gewährsfunktion von Unterschriften zu machen, bestehen jedenfalls nicht, wenn und soweit die qualifizierten elektronischen Unterschriften auf in der EU ausgestellten Zertifikaten oder im weiteren Ausland erstellten Zertifikaten beruhen, die diesen nach eIDAS gleichgestellt sind. Nach Ansicht des Verfassers ist diese Frage direkt aus den oben zitierten Bestimmungen der eIDAS heraus auslegend zu beantworten. Danach gilt insoweit Art. 25(2) eIDAS. Wegen der rechtlichen Gleichstellung  der qualifizierten elektronischen, eIDAS konformen Signatur mit der körperlichen, eigenhändigen Unterschrift bei staatlichen Urteilen ist der Grund entfallen, hier für Schiedsverfahren unter Bezugnahme auf die Formerfordernisse der ZPO für Gerichte strengere Formanforderungen zu stellen. Mangels einer ausdrücklichen Regelung wird eine Klärung hier aber gerichtlich erfolgen müssen. Entscheidungen von OLG liegen bislang nicht vor.

Ist ein digitaler, mit qualifizierter elektronischer eIDAS Signatur unterschriebener Schiedsspruch außerhalb der EU anerkennungs- und vollstreckungsfähig?

Einen Schritt weitergehend stellt sich die Frage, ob ein eIDAS-konformer digitaler Schiedsspruch, der in einem Fall mit Sitz in der EU ergangen ist, nach dem New Yorker Abkommen in einem bestimmten Land, das z.B. kein EU-Mitgliedstaat ist, vollstreckt werden könnte. Obwohl der Autor in diesem Kapitel keine umfassende Analyse für jedes einzelne Land liefern kann, ist es möglich, hier Benchmark-Kriterien zu entwickeln, die wie folgt lauten:

(a) Wenn nach dem Recht des Landes, in dem die Vollstreckung oder Anerkennung beantragt wird, die Gültigkeit einer Signatur durch Verweis auf das am Sitz des Schiedsgerichts geltende Recht bestimmt wird, sollte die fortgeschrittene elektronische Signatur anerkannt werden, es sei denn, dies würde als mit der öffentlichen Ordnung dieses Landes unvereinbar angesehen werden (Art. V 2.b) New Yorker Übereinkommen). Dies könnte der Fall sein, wenn ein solches Land keine gültigen digitalen Signaturen im Allgemeinen oder im gerichtlichen Bereich zulässt und/oder wenn die Justiz technisch nicht ausgerüstet ist oder keine Kenntnisse im Umgang mit elektronischen Signaturen hat.

(b) Wenn, was wahrscheinlicher ist, nach dem Recht eines Landes, in dem die Vollstreckung oder Anerkennung beantragt wird, die Gültigkeit einer Unterschrift unter Bezugnahme auf das örtlich geltende Recht bestimmt wird, gibt es zwei Möglichkeiten: (i) elektronische Signaturen werden im Allgemeinen oder im gerichtlichen Kontext mangels Regelung oder wegen Verbot nicht zugelassen. Dann gilt der elektronisch signierte Schiedsspruch als nicht existent. (ii) Es gibt lokales Recht, das elektronische Signaturen und die Umstände, unter denen sie physischen Signaturen gleichgestellt sind, regelt. In diesem Fall ist die erste ausschlaggebende Frage, ob dieses Gesetz die Anerkennung elektronischer Signaturen vorsieht, die nach ausländischen Gesetzen in verschiedenen PKI ausgestellt werden. Sollte dies der Fall sein, müsste man die faktischen (technischen) Voraussetzungen für eine solche Anerkennung von Rechts wegen und die Konformität der betreffenden Signatur(en) prüfen. Sollte das örtliche Signaturgesetz keine Anforderungen an die PKI und/oder deren autorisierten Betrieb in dem betreffenden Land enthalten, sondern nur Anforderungen an die technischen Merkmale der Signatur als solche, so wäre lediglich zu prüfen, ob diese Anforderungen erfüllt sind oder nicht.

Theorie trifft auf die Realität

Die Mehrheit der Schiedsrichter verfügt international wahrscheinlich weder über eine fortgeschrittene digitale Signatur, noch über die erforderlichen Kenntnisse und elektronischen Werkzeuge oder Mittel zu deren Verwendung.

Auch wenn es Gesetze gibt, die digitale Schiedssprüche, die mit elektronischen Signaturen unterzeichnet sind, erlauben, sind die Gerichte in vielen Ländern unterfinanziert und/oder nicht mit den Mitteln zur Verarbeitung und Überprüfung authentischer digitaler Schiedssprüche ausgestattet. Dies gilt auch für Gerichtsvollzieher und andere Organe die in der Vollstreckungsphase beteiligt sind.

Es existiert oft eine inhärente Unwilligkeit, sich auf der operativen Ebene mit der Technologienutzung überhaupt vertraut zu machen; es sei denn, die Nutzung dieser Technologie ist unmittelbare eine Voraussetzung für die eigene berufliche Tätigkeit. Dies wird durch die plötzliche Verbreitung von Videokonferenzen in Schiedsverfahren belegt, die erst durch die COVID-19-Pandemie Anfang 2020 ausgelöst wurde, weil sonst Stillstand mit seinen wirtschaftlichen Folgen eingetreten wäre. Die Technologie ist seit mehr als einem Jahrzehnt verfügbar.

Vor allem aber fehlt eine möglichst sicherer, expliziter rechtlicher Rahmen für formgebundene elektronisch unterzeichnete digitale Prozessurkunden in Schiedsverfahren. Wo dieser existiert, fehlt es an zureichender Kenntnis darüber.

Wie sind die Hürden zu überwinden?

Die Lösung des Problems ist ein Aufruf an die etablierten Institutionen und Verbände, die in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit tätig sind, gemeinsam ein Gremium zu bilden und personell zu besetzen, das den alleinigen Zweck hat, eine Einrichtung zu konzipieren und zu implementieren, die eine sicherere Nutzung der beschriebenen elektronischen Mittel in der globalen Schiedsgerichtsbarkeit ermöglicht. Eine solche Stelle könnte (mit Hilfe oder in Zusammenarbeit mit technischen Anbietern) auf der Grundlage der verschiedenen rechtlichen Regelungen für elektronische Signaturen, Datensicherheit und Datenschutzprozesse konzipieren, die vertrauenswürdig, sicher und stabil sind und die von Institutionen und einzelnen Nutzern gleichermaßen genutzt werden können. Die erforderlichen technischen Werkzeuge könnten als prozesskonform zertifiziert und ihre Beschaffung erleichtert werden. Dies würde insbesondere fortgeschrittene elektronische Signaturen umfassen, die in so vielen Rechtsordnungen, wie rechtlich möglich, zu jedem Zeitpunkt anerkannt sind. Die Einrichtung könnte Anbieter von Vertrauensdiensten zertifizieren, die solche Signaturen anbieten oder in Zusammenarbeit mit diesen, selbst solche Signaturen bereitstellen. Da die Signaturen auch eine Art virtuelle Identität darstellen, könnten die Signaturzertifikate das Mittel für den Zugang zu einem Schiedsgerichts-VPN (leider mit Nutzungseinschränkungen, wenn die Nutzung eines VPN lokal verboten ist) sein, bei dem die Einrichtung der virtuelle „Gatekeeper“ ist. Dies würde die Schiedsgerichtsbarkeit als Institution vor einer ganzen Reihe von Sicherheits- und Datenintegritätsbedrohungen schützen, die im globalen Internet lauern. Dass jede Person im VPN unter ihrer digitalen Identität handeln würde, könnte ein zusätzliches Mittel sein, um Sicherheit und Vertrauen zu schaffen. Natürlich muss der Zugang auf diskriminierungsfreier Basis und zu Kosten gewährt werden, die auf einem erschwinglichen Preisniveau liegen. Für die Nutzung all dieser Möglichkeiten könnte die Stelle (Online-) Schulungen und Schulungszertifizierungen für Benutzer anbieten und den nationalen Gerichten kostenlose Unterstützung anbieten.

Nicht zuletzt wäre eine solche Einrichtung, da sie sich auf das gemeinsame Ansehen seiner Gründungsmitglieder stützen könnte, in der Lage, bei Regierungen und transnationalen Institutionen Lobbyarbeit für die genannten Zwecke zu betreiben. All dies braucht Zeit. Aber auch das New Yorker Vollstreckungsabkommen hat nicht vom ersten Tag an die heutige Zahl von Mitgliedsstaaten gehabt.

Fazit

Elektronische Signaturen unter digitalen Schiedssprüchen sind Teil der Digitalisierung von Schiedsverfahren, wenn diese nicht hinter den technologischen Entwicklungen im Wirtschaftsleben und auch vereinzelt bei der staatlichen Justiz hinterherhinken sollen. Zumindest in einzelnen Staaten, wie – nach Meinung des Autors – Deutschland, sind qualifiziert elektronisch unterzeichnete digitale Schiedssprüche formwirksam und damit grundsätzlich schon heute möglich. Weil ganz erhebliche Unsicherheiten verbleiben, darf dabei nicht einzelnen, mutigen Parteien und Schiedsrichtern aufgebürdet werden, eine entsprechende Praxis zu etablieren. Vielmehr sind Institutionen wie die ICC und andere anerkannte Schiedsinstitutionen aufgerufen, ihre Kräfte zu bündeln und die technischen sowie möglichen rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, Schiedsverfahren vollständig zu digitalisieren und die dafür notwendigen Fertigkeiten zu verbreiten.

Der Beitrag ist im ICC-Germany-Magazin, Nr. 11, erschienen. Mehr über unser Magazin erfahren und kostenfrei abonnieren

Bildnachweis: iStock/DNY59