Seit der COP26 im letzten Jahr in Glasgow hat sich die geopolitische Gesamtsituation stark verändert: Der völkerrechtswidrige Einmarsch Russlands in die Ukraine hat nicht nur ganz neue sicherheitspolitische Fragen aufgeworfen, sondern auch eine globale Ernährungskrise ausgelöst und die internationalen Energiemärkte stark erschüttert. Auch die globale Wirtschaft steht daher vor enormen Herausforderungen. Hinzu kommen die immer noch anhaltenden Auswirkungen der noch nicht überwundenen Corona-Pandemie.

Die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit und der Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten bereiten ernsthafte Sorgen mit Blick auf ein mögliches „Backsliding“ der Regierungen bei bestehenden Klimaverpflichtungen. Denn die Bekämpfung des Klimawandels ist durch die diversen Krisen nicht weniger drängend geworden – im Gegenteil. Fragen der Energieversorgung und -sicherheit sind so präsent wie nie, der voranschreitende Klimawandel immer mehr im täglichen Leben wahrnehmbar.

Die jüngsten IPCC-Reports betonen, dass wir ohne global koordinierte Maßnahmen das sich rasch schließende Zeitfenster verpassen werden, um die Klimakrise zu bewältigen – mit dramatischen Auswirkungen für den Planeten und den Menschen. Mit den aktuellen politischen Klimaschutzmaßnahmen befindet sich die Welt laut UN derzeit auf dem Wege, die 1,5 °Grad-Marke des Pariser Klimaabkommens bis zum Ende des Jahrhunderts um mehr als das Doppelte zu überschreiten.

Die Voraussetzungen, unter der die diesjährige UN-Klimakonferenz stattfindet, könnten daher herausfordernder wohl kaum sein. Umso wichtiger ist es nun, dass im multilateralen Dialog Antworten auf diese drängenden Fragen gegeben werden und bisherige Zusagen in konkretes Handeln münden. Eine faire und nachhaltige Transformation kann dabei nur zusammen mit der globalen Wirtschaft erreicht werden – sie trägt mit ihren Investitionen und Innovation maßgeblich zur Erreichung der Klimaziele bei.

Was erwartet die ICC von der COP?

Die COP27 muss zeigen, dass die globale Klimaschutzagenda von Versprechungen und freiwilligen Verpflichtungen zur unmittelbaren Umsetzung übergeht. Die bei der COP26 in Glasgow getroffenen Vereinbarungen müssen nun operationalisiert und in konkret umsetzbare Maßnahmen münden, wobei der Finanzierung als zentraler Katalysator für Fortschritt hier eine enorm wichtige Rolle zukommt.

Kohärente politische Maßnahmen auf internationaler und nationaler Ebene, wie u.a. die Gestaltung von effizienten Marktmechanismen, die Beseitigung von finanziellen und kartellrechtlichen Hindernissen für kleine und mittlere Unternehmen oder die Integration von Nachhaltigkeitszielen in den Handel, werden in dieser Hinsicht entscheidend sein. So können Wettbewerbsverzerrungen vermieden und der Zufluss von privatem Kapital in nachhaltige Investitionsmöglichkeiten gewährleistet werden.

Konkrete Forderungen der ICC:

  1. Länder- und Regierungschefs müssen die notwendigen nationalen Maßnahmen in die Wege leiten, um die Emissionen bis 2030 mindestens zu halbieren und bis 2050 auf null zu reduzieren. Das bedeutet auch: glaubwürdigere nationale Beiträge (Nationally Determined Contributions (NDCs)) – verbunden mit Dekarbonisierungs- und Finanzierungsplänen, die einen klaren Fahrplan auch für Unternehmensinvestitionen in eine „net-zero“-Zukunft vorgeben.
  2. Eine Einigung über Details der Umsetzung von Artikel 6 des Pariser Abkommens zum internationalen Emissionshandel: Unter anderem müssen Fragen bzgl. der Art von Aktivitäten, die zu Kohlenstoffgutschriften unter Artikel 6 führen, des Ausmaßes der Beteiligung der Privatwirtschaft, des Zusammenspiels mit freiwilligen Kohlenstoffmärkten sowie der administrativen Verwaltung geklärt werden. Es darf jedoch keine Wiedereröffnung oder Neuverhandlung des in Glasgow vereinbarten „Rulebooks“ geben. Es braucht greifbare Fortschritte auf dem Weg zu funktionierenden grenzüberschreitenden Kohlenstoffmärkten, die in der Lage sind, die Emissionsreduzierung zu den geringstmöglichen Kosten für die Realwirtschaft zu beschleunigen.
  3. Industrieländer müssen ihre Zusage einlösen, 100 Milliarden US-Dollar zur Klimafinanzierung in Entwicklungs- und Schwellenländern zu mobilisieren, sowie die Anpassungsfinanzierung weiter ausbauen. Bei der Anpassungsfinanzierung sollten innovative risiko- und technologiebasierte Finanzinstrumente berücksichtigt werden, um Interesse für größere Investitionen des Privatsektors anzuregen.

Welchen Beitrag leistet die ICC?

Anlässlich der COP27 wird die ICC vor allem Empfehlungen zu folgenden Aspekten veröffentlichen:

  • „Best Practices“ und neueste Leitlinien zu den Grundsätzen einer wirkungsvollen Kohlenstoffpreisgestaltung (Kohlenstoffsteuer, Emissionshandelssysteme sowie hybride Lösungen), um die Reduzierung der Emissionen voranzutreiben und zu beschleunigen.
  • Ein Rahmenwerk für Standards im nachhaltigen Handel und der Handelsfinanzierungsgeschäfte, für das nun eine Pilotphase für den Textilsektor startet. Nachhaltigkeit von Handel und von Handelsfinanzierung zu definieren und dadurch messbar zu machen, ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele.
  • Empfehlungen für politische Maßnahmen und effektive Anreize, um Klimamaßnahmen von kleineren und mittleren Unternehmen und die Dekarbonisierung ihrer Geschäftstätigkeit zu fördern
  • Weißbuch zur Überbrückung der Lücken zwischen Nachhaltigkeitszielen der Unternehmen und Skepsis der Wettbewerbsbehörden gegenüber der Zusammenarbeit von Wettbewerbern.

ICC vor Ort

Zum ersten Mal bietet die ICC in der „Blue Zone“ der COP27 einen Business Pavillon an, in dem sich im gemeinsamen Dialog über mögliche Lösungen und politische Reformen ausgetauscht werden kann.

ICC Germany ist vor Ort vertreten und unterstützt u.a. Side Events zur Rolle der Kapitalmärkte in Kohlenstoffmanagement, Ausweitung der nachhaltigen Finanzierung und Partnerschaften für eine gerechte Energiewende. Deutsche Partner des ICC Pavillons sind DZ Bank, Deloitte, Bayer und SAP.

Die ICC wird außerdem im Zeitraum vom 6. bis zum 18. November virtuelle Veranstaltungen auf der Plattform „Make Climate Action Everyone’s Business Platform“ anbieten. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.