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Klaus Vorpeil

ist Rechtsanwalt und verfügt über jahrzehntelange Erfahrung als Syndikus bei großen international tätigen Wirtschaftsunternehmen. Seine Schwerpunkte umfassen internationales Wirtschafts- und Vertragsrecht, Außenhandelsfinanzierung sowie Bankrecht. Er hat zahlreiche Veröffentlichungen zu diesen Gebieten verfasst und referiert regelmäßig hierzu.

Sprache als Risikofaktor

Unter dem „Sprachrisiko“ ist zu verstehen, wer die Folgen zu tragen hat, wenn bei rechtsgeschäftlichen Erklärungen eine der Vertragsparteien deren Inhalt wegen nicht ausreichender Sprachkenntnisse entweder gar nicht versteht oder inhaltlich missversteht. Es trifft diejenige Vertragspartei, die sich über den Bedeutungsinhalt einer rechtsgeschäftlichen Erklärung oder von Vertragsklauseln irrt. Bei den in der Praxis verwendeten englischsprachigen Vertragsklauseln werden Rechtsbegriffe aus dem angloamerikanischen Rechtskreis verwendet, ohne dass den Parteien – trotz sicherer Sprachkenntnisse! – deren Bedeutung immer klar ist.

Die Rechtsordnung, die das Zustandekommen eines Vertrags und die Wirksamkeit der Willenserklärung bestimmt, also das Vertragsstatut, entscheidet grundsätzlich auch über das Sprachrisiko. Danach wird allerdings lediglich das Auslegungsstatut geregelt. Bei der Vereinbarung des deutschen Rechts gelten die Auslegungsregeln des deutschen Rechts. Jedoch ist bei der Auslegung englischer Vertragstexte trotz der Wahl des deutschen Rechts das angloamerikanische Rechtsverständnis anzuwenden.

Wird ein von englischen Juristen in englischer Sprache verfasster Vertragstext dem deutschen Recht unterstellt, besteht die Gefahr einer doppelten Disparität, und zwar einerseits zwischen dem anwendbaren materiellen Recht für den Vertrag und der Vertragssprache und andererseits zwischen dem anwendbaren deutschen Recht und dem Rechtsverständnis der Rechtsordnung, nach der der Text konzipiert worden ist.

Englische Begriffe und deren Bedeutung

Werden in angloamerikanischen Verträgen Klauseln vereinbart, um den Rahmenbedingungen des Common Law zu entsprechen, kennzeichnet dies Verträge stärker als das vereinbarte anwendbare Recht. Zwischen den Übersetzungen der Rechtsbegriffe des angloamerikanischen Rechtskreises und dem „entsprechenden“ Begriff nach deutschem Recht besteht oftmals keine inhaltliche Deckungsgleichheit. Beispielsweise entspricht die „guarantee“ in der Regel einem bürgschaftsähnlichen Recht, nicht jedoch einer abstrakten Garantie nach deutschem Recht.

Auch bei allgemeinen Begriffen kann es zu Missverständnissen kommen, beispielsweise, wenn sich eine Partei bei einem dem deutschen Recht unterliegenden englischsprachigen Vertrag verpflichtet, sich nach „best efforts“ um die Zielerreichung zu bemühen. Das Verständnis der allgemeinsprachlichen Übersetzung mit dem Begriff „nach besten Kräften“ verkennt den nach angloamerikanischem Recht im Zweifel höheren Pflichtenmaßstab. In englischen Verträgen wird hinsichtlich des Umfangs der Leistungsverpflichtungen einer Partei oftmals die Formulierung „best endeavours“, „reasonable endeavours“ oder „all reasonable endeavours“ verwendet, was sich kaum zutreffend übersetzen lässt. Bei „best endeavours“ obliegt es der verpflichteten Partei, alle Maßnahmen zu ergreifen, die in ihrem Machtbereich liegen und der Erreichung des gewünschten Ergebnisses dienen. „Reasonable endeavours“ verlangen hingegen eine ausgewogene Abwägung vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Überlegungen.

Vermeintlich der Allgemeinsprache zuzuordnende Begriffe können versteckte Rechtsbegriffe darstellen, wie etwa „provided that“. Während darunter in der englischen Allgemeinsprache Bedeutungsinhalte wie „unter der Bedingung, dass“, „in dem Verständnis, dass“ etc. zu verstehen sind, bedeutet dieser Begriff in der englischen Rechtssprache eine Ausnahme, nicht jedoch eine Bedingung, wenn sich nicht durch Auslegung etwas anderes ergibt. „Notwithstanding“ bedeutet bei wörtlicher Übersetzung „ungeachtet“ und betrifft in Vertragsdokumentationen Vertragsklauseln, mit denen Vorrang vor anderen Vertragsbestimmungen eingeräumt werden soll.

►Tipp:  Falls jedoch vertraglich geregelt werden soll, dass eine bestimmte Vertragsklausel andere Vertragsbestimmungen unberührt lassen soll, empfiehlt es sich, „subject to“ oder „without prejudice to“ zu verwenden. Der Begriff „without prejudice“ bedeutet in einem Vertrag, dass etwas nicht als Beweismittel in einem Gerichtsverfahren verwendet werden kann, es sich nicht um das letzte Wort des Unterzeichners zu einer Angelegenheit handelt oder etwas nicht als Präzedenzfall im Sinne des Common Law verwendet werden kann.

►Tipp:  Für die Begründung von Vertragspflichten sollte „shall“ verwendet werden. Hinsichtlich der Formulierung vertraglicher Rechte einer Vertragspartei, denen korrespondierende Pflichten der anderen Vertragspartei gegenüberstehen, bietet sich „is entitled to“ an.

Übersetzungen zur Ausschaltung des Sprachrisikos?

Vorsicht bei Übersetzungen! Aufgrund der Systemgebundenheit juristischer Fachbegriffe gibt es keine juristische Fachsprache, in der Rechtsbegriffe international die gleiche Bedeutung haben. Bei Übersetzungen juristischer Texte muss der Bedeutungsinhalt eines Begriffs aus der einen in eine andere Rechtssprache übertragen werden, etwa bei dem Begriff „indirect and consequential damages“.

►Tipp: Bei rechtsverbindlichen Texten sollte selbst dann, wenn eine Übersetzung von einem professionellen Übersetzer angefertigt wird, eine Kontrolle durch den beratenden Anwalt erfolgen, der fachlich in der Lage ist, rechtsvergleichend zu übersetzen.

Reduzierung des Sprachrisikos durch Sprachklauseln

►Tipp: Besteht die Vertragsdokumentation aus mehreren Sprachversionen, sollte einer Fassung ausdrücklich der Vorrang eingeräumt werden. Zusätzlich kann geregelt werden, dass es sich bei der anderen Sprachversion lediglich um eine unverbindliche Übersetzung handelt. Falls alle Sprachfassungen verbindlich sein sollen, kann additiv und/oder alternativ vereinbart werden, welche Vertragsfassung vorrangig sein soll, soweit sie inhaltlich nicht deckungsgleich sind. Wenn die Sprachfassungen – was nicht empfehlenswert ist – gleichrangig sein sollen, weil keine Partei sich bei den Verhandlungen durchsetzen konnte, bietet sich eine Klausel an, die zumindest im Falle eines inhaltlichen Widerspruchs einer der Vertragsklauseln den Vorrang einräumt.

►Tipps: Die Korrespondenzsprache für die Durchführung des Vertrags sollte ebenfalls festgelegt werden. Insbesondere bei technischen Großprojekten können Anforderungen hinsichtlich der sprachlichen Fähigkeiten der verantwortlichen Personen vereinbart werden.

Reduzierung des Sprachrisikos durch Vertragstechniken

►Tipps: Bei mangelnder Deckungskongruenz zwischen bestimmten Fachtermini in einer englischsprachigen Vertragsdokumentation und der von der Vertragssprache abweichenden Sprache einer Vertragspartei sollte bei bestimmten relevanten Begriffen der „entsprechende“ deutsche Begriff in Klammern ergänzt werden. Gesetze, die es mit anderer inhaltlicher Ausgestaltung auch in anderen Staaten gibt, werden funktional so übersetzt, wie es dem internationalen Begriffsverständnis entspricht, und dabei ein Hinweis auf das Land aufgenommen, um dessen Gesetz es geht. Beispielsweise werden das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) mit „German Civil Code“ übersetzt und das Handelsgesetzbuch (HGB) mit „German Commercial Code“. Bei anderen Gesetzen wird eine englischsprachige sinntragende Übersetzung verwendet und der Originaltitel in Klammern hinter die Übersetzung gesetzt.

 

Der Beitrag ist im ICC-Germany-Magazin, Nr. 06, erschienen. Mehr über unser Magazin erfahren und kostenfrei abonnieren.

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