Strategische Partner ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Inhaltsverzeichnis m o c . o t o h p k c o t s i – s t r e s © o r t s e n a i l a t i © Die Welt von morgen Herausforderung Neue Seidenstraße Europäische Antworten auf Chinas Auslandsexpansion von Thilo Großer Zukunft des internationalen Handels neu denken von Kai Goerlich Abkommen zum digitalen Handel ICC unterstützt plurilaterales Abkommen zu E-Commerce Revolution im internationalen Steuersystem Wie wird die globale Steuerordnung ab 2020 aussehen? von Georg Geberth Humanitäre Logistik Wie sich die Logistik im Fall von Naturkatastrophen verbessern lässt von Dr. Oliver Peltzer 22 28 33 34 39 Best Pratice: Logistik- Notfallteams für den Krisenfall 41 100 Jahre ICC Zur Historie der ICC Engagement für fairen Handel bis heute Blick nach vorn von John W.H. Denton AO Die ICC wird 100! Grußwort von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier Stimmen aus dem Bundestag Grußwort von Dr. Eric Schweitzer und Prof. Dieter Kempf Unsere Mitglieder gratulieren 6 9 12 12 14 16 4 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Zur Historie der ICC Engagement für fairen Handel bis heute er Handel Direkt nach dem Ersten Weltkrieg wurde die ICC gegründet. Die Idee ist einfach: Völker, die verstärkt miteinander Handel Streben treiben, führen weniger Kriege. Gemeinsame Ziele waren die Liberalisierung des internationalen Handels und das Streben onalen nach einheitlichen rechtlichen und technischen Standards. Themen waren damals die Verbesserung des internationalen ine Fernsprechverkehrs, die weltweite Vereinheitlichung des Scheck- und Bankenverkehrs sowie die Einrichtung eines Handelsgerichtes. All das hat die ICC eingelöst und dabei noch viel mehr geschaff t. 1925 jährlich Streitfälle Internationaler Schiedsgerichtshof Der Internationale Schiedsgerichtshof der ICC verhandelt seit 1925 im dreistelligen Milliarden- Bereich. Er schaff t Waff engleichheit im Streitfall. Denn welches deutsche Unternehmen kennt die Feinheiten des indischen oder russischen Rechts? Gleiches gilt selbstverständlich für den ausländischen Geschäftspartner. Die ICC verbreitet die Schiedsgerichtsbarkeit rund um den Globus. Unten im Bild ICC-Generalsekretär John Denton mit Babatunde Savage, Präsident von ICC Nigeria, bei der „ICC Africa Conference“, die die Schiedsex- afrikanischen perten anlässlich des 100. Geburtstags im Juni 2019 in Lagos zusammenbrachte. 193 933 Außenhandelsfinanzierung handelsfinanzierung Bis heute bieten die mehrfach überarbeiteten en die mehrfach überarbeiteten ICC-Regeln für Dokumenten-Akkreditiven, aber Dokumenten-Akkreditiven, aber auch für Rembourse, Garantien, Inkassi und urse, Garantien, Inkassi und Forfaiting die Grundlage für die global einheit- liche Erstellung von Finanzprodukten für den Außenhandel. Damit sichern Unternehmen jedes Jahr Handelsgeschäfte im Wert von rund 2 Billi- onen US-Dollar ab. dlage für die global ei Finanzp 1936 6 Incoterms®-Klauseln useln Heute beinhalten 90 Prozent aller internationalen Kaufverträge die ICC-Klauseln, die Rechte und Pfl ichten von Käufer und Verkäufer bei der Warenlieferung regeln. Im Jubiläumsjahr kommt eine neue Version heraus, die geänderte Handelspraktiken, Neuerungen in der Finanzierung, beim Versicherungsschutz sowie gestiegene Sicher- heitsanforderungen widerspiegeln. aller internationalen Ka Pfl ichten j en, Neue e gestiegene 1937 19 Marketing- und Werbekodex Immer wieder setzt die ICC selbst Standards. Denn wir sind der Überzeugung, dass Vertrauen im Wirtschaftsleben die der Übe wichtigste Ressource ist. Ein Beispiel ist der ICC-Kodex zur wichtigste Resso zur Selbstregulierung der Wirtschaft im Bereich Werbung und Selbstregulierung der rbung und Kommunikation – in Südamerika genauso wie in China und Kommunikation in China und ebenso in Deutschland, wo wir eng mit dem Deutschen eb Deutschen Werberat und dem Zentralverband der deutschen Werbe- en Werbe- es Kodex wirtschaft zusammenarbeiten. Die aktuelle Version des Kodex nd auch greift die fortschreitende Digitalisierung auf: nun sind auch ogger, auf Algorithmen basierende Werbung, Infl uencer, Blogger, e legt Vlogger und personalisierte Werbung umfasst. In Kürze legt ICC Germany eine deutsche Fassung vor. 6 6 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

8 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9 m o c . o t o h p k c o t s i – s t r e s ©

100 Jahre ICC 10 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9 r e l l ü M n a f e t S / i W M B ©

100 Jahre ICC . m o c o t o h p k c o t s i – o o t o t s i r a © Stimmen aus dem Bundestag „Lange Zeit galt freier Handel als Garant für Wohlstand und Frieden. Vor dem Hintergrund eines weltweit stärker werdenden Protektionismus scheint diese Erkenntnis in den Hintergrund zu geraten. Umso wichtiger ist die Arbeit der ICC, den freien Handel zu stärken.“ Dr. Carsten Linnemann, MdB Bundesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU „Klimaschutz und Nachhaltigkeit müssen zum Leitprinzip unternehmerischen Handelns werden. Denn in einem interna- tionalen Umfeld mit zunehmendem Wettbewerb werden nur diejenigen Unternehmen erfolgreich sein, die grüne Zukunfts- märkte und Technologien erschließen können. Der Finanzsektor ist in der Pflicht, die dafür notwendigen Investitionen schon heute möglich zu machen. ICC kurbelt diesen Dialog mit Wirtschaft und Handel an – weiter so!“ Rita Schwarzelühr-Sutter, MdB Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit „Unser Alltag ist vielfältig geworden: die Pasta aus Italien, die Jeans aus der Türkei und das Smartphone aus Korea oder China. All das ist Normalität und eine Berei- cherung für unser Leben. Der Welthandel ist der größte Motor für Wohlstand und schafft die Grundlagen für Beschäftigung und Einkommen. Doch protektionistische Tendenzen sind zunehmend auf dem Vormarsch, sie gefährden diese Errungen- schaften. Die ICC ist ein wichtiger Partner im Kampf für einen fairen, regelgebun- denen und möglichst freien Welthandel sowie für eine multilaterale Weltordnung. Sie ist eine bedeutende Institution, der ich für die Zukunft alles Gute wünsche!" Michael Theurer, MdB Stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion – Wirtschaft & Energie, Arbeit & Soziales, Gesundheit, Tourismus 12 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Grußwort Die Internationale Handelskammer (ICC) feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum: Ein beachtliches Engagement von Handelskammern und Verbänden weltweit sowie vieler Gene- rationen von Unternehmerinnen und Unternehmern als Mitglieder der ICC, aber auch von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Herzlichen Glückwunsch! Den Grundstein für die ICC legten Kaufl eute nach dem Ersten Weltkrieg, als kein weltweites System von Regeln für Handel, Investitionen, Finanzen oder auch Handelsbeziehungen exis- tierte. Damals nannten sie sich „merchants of peace“. Heute vereint die globale ICC-Organisation unter ihrem Dach sowohl Industrie- und Handelskammern als auch Verbände und Unternehmen. Die deutsche Niederlassung der ICC, die ICC Germany, arbeitet dabei eng mit BDI und DIHK zusammen – sowohl in den Führungsgremien von ICC Germany als auch in den Gremien der globalen ICC-Organisation. Mit der World Chambers Federation bietet die ICC darüber hinaus eine globale Plattform zum Austausch von Best Practices für die Industrie- und Handelskam- mern, etwa durch den World Chambers Congress, der in diesem Jahr in Rio de Janeiro statt- fand. Die internationale Zusammenarbeit nimmt an Bedeutung zu und die Wirtschaft muss sich entsprechend international abstimmen und vernetzen. Für die Gestaltung und Abwicklung internationaler Geschäfte entwickelt die ICC konkrete, globale Standards. Mit ihrem Internationalen Schiedsgerichtshof bietet sie zudem Unternehmen Mechanismen, um eine Einigung in Handelskonfl ikten mit anderen Unternehmen oder auch bei Investitionsstreitigkeiten mit Staaten zu erzielen. Die ICC setzt sich darüber hinaus für freies Unternehmertum und off ene Märkte ein. Sie beteiligt sich an der Reform der Welthandelsorgani- sation (WTO) und fordert moderne Handels- und Investitionsregeln. Sie reagiert damit auf inter- nationale Handelsstreitigkeiten und zunehmenden Protektionismus in vielen Teilen der Welt, die auch für die Geschäfte deutscher Unternehmen im Ausland immer mehr zur Realität werden. Die Stärkung des regelbasierten Handelssystems, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und auch die Frage, in welcher Welt wir morgen leben möchten, haben für die deutsche Wirtschaft Priorität. Die ICC ist Vordenker bei ganz aktuellen Fragen, die die Menschen unmittelbar beschäf- tigen: Wie können die Vorteile des digitalen Handels auch für mittelständische und kleine Unter- nehmen nutzbar gemacht werden? Wie kann das Wirtschaftswachstum so gestaltet werden, dass möglichst alle Teile einer Gesellschaft partizipieren und globale Ungleichgewichte verringert werden? Vor diesem Hintergrund ist es heute wichtiger denn je, mit der ICC eine internationale Dachorganisation zu haben, die ihren Mitgliedern einen regelmäßigen Austausch ermöglicht, um gemeinsam auf ebensolche Fragen zukunftsfähige, globale Antworten zu entwickeln. Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums gratulieren wir dem ICC-Germany-Präsidenten Dr. Werner Brandt, dem Generalsekretär Oliver Wieck sowie all ihren Vorgängerinnen und Vorgängern. Wir wünschen für die zukünftigen Aufgaben der ICC weiterhin viel Erfolg! Dr. Eric Schweitzer Präsident, Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V. (DIHK) Prof. Dieter Kempf Präsident, Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) 14 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Wir gratulieren! Unsere Mitglieder gratulieren MAKE TRADE WORK FOR PEOPLE AND PLANET TRADE AND INVESTMENT „Freier Handel. Freie Marktwirtschaft. Freies Unternehmertum. Wie kaum eine andere Institution hat die ICC sehr früh erkannt, wie wichtig offene Märkte und ein fairer Handel für Wohlstand und Frieden in der Welt sind. Als Dienstleister für die Wirtschaft ist die ICC Vordenker, Mittler und Bindeglied im internationalen Handel. 100 Jahre. 100 Länder: Das weltweite Netzwerk der ICC ist einmalig. Und ich bin stolz, ein Teil davon zu sein.“ Edna Schöne Vorstandsmitglied, Euler Hermes AG Präsidiumsmitglied ICC Germany „Eine funktionsfähige Welthandelsorganisation hat für uns oberste Prio- rität. Darum ist der enge Austausch der ICC mit der WTO für uns zentral. Als mittelständischer Automobilzulieferer mit über 3.000 Mitarbeitern und Niederlassungen auf drei Kontinenten wissen wir, wie unverzichtbar global gültige Handelsregeln im Geschäftsalltag sind.“ Dr. Robert Gutsche CEO, IFA-Gruppe Vizepräsident ICC Germany "Wir gratulieren der ICC zum 100. Geburtstag. Sie ist seit 100 Jahren ein Brücken- bauer der globalen Wirtschaft. Und unser Planet braucht globale Lösungen. Daher engagieren wir uns auch sehr gerne in allen wichtigen ICC-Gremien für weltweit gültige Standards." Joe Kaeser Vorsitzender des Vorstands, Siemens AG 16 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Wir gratulieren! MAKE ACTION ON CLIMATE CHANGE EVERYONE’S BUSINESS INCLUSIVE AND GREEN GROWTH „Wir wollen Menschen verbinden und ihr Leben verbessern. Dazu gehört für uns auch Umwelt- und Klimaschutz. Unser Ziel ist eine Null-Emissionen- Logistik bis 2050. Das erreicht man nicht im Alleingang. Entscheidend ist hier eine gute Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Institutionen und Politik. Die ICC sehen wir als wichtigen Partner, da sie den Austausch in der Privatwirtschaft fördert und gemeinsame Positionen entwickelt.“ Dr. Frank Appel Vorsitzender des Vorstands, Deutsche Post DHL Group „Seit 100 Jahren ist die ICC eine starke Stimme für Offenheit und weltweite Zusammenarbeit. Heute ist ihre Rolle wichtiger denn je, lautet doch die große Herausforderung unserer Zeit: Erreichung des Pariser Klimaabkommens. Das wird nur gelingen, wenn Unternehmen, Banken, Politik und Zivilgesellschaft global kooperieren. Für diesen Austausch leistet die ICC einen wichtigen Beitrag.“ Carola von Schmettow Sprecherin des Vorstands, HSBC Deutschland © B o s c h „Die Mitgliedsunternehmen der ICC bekennen sich zu ihrer unterneh- merischen Verantwortung. Bosch bringt sich dabei mit seinen Über- zeugungen, Zielen und Lösungen aktiv in die Arbeit der ICC ein. Schon ab 2020 wird Bosch weltweit CO2-neutral sein. Mit unserer CO2-Stra- tegie wollen wir auch innerhalb der ICC Nachahmer finden und andere Unternehmen zu ehrgeizigen Klimaschutzzielen inspirieren.“ Dr. Volkmar Denner Vorsitzender der Geschäftsführung, Robert Bosch GmbH 18 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Wir gratulieren! LEAD FOR THE LONG TERM FINANCE FOR DEVELOPMENT „Die Internationale Handelskammer steht seit 100 Jahren für die globale Vernet- zung der deutschen Wirtschaft. Als Deutsche Bank sind wir stolz darauf, dass wir die Globalisierung deutscher Unternehmen von Beginn an führend unterstützt haben. Das war und ist der Kern unseres Geschäfts. In einer Zeit, in der Handels- kriege, die Renationalisierung der Wirtschaftspolitik und die Digitalisierung die Zukunft internationaler Handelsbeziehungen vor immer größere Herausforde- rungen stellen, braucht es starke Partner mit klarem Verständnis für den Wert globalen Handels – und für die Ansprüche, die Wirtschaftsunternehmen an global agierende Finanzpartner haben. Dafür stehen wir.“ Christian Sewing Vorstandsvorsitzender, Deutsche Bank AG „Eine Institution von großer Bedeutung für den globalen Handel feiert dieses Jahr im November ihr hundertjähriges Jubiläum. Sie hat sich in diesen hundert Jahren zu einer wichtigen Institution entwickelt, die den Finger dort in die Wunde legt, wo der globale Handel angegriff en wird. Noch wichtiger aber scheint mir zu sein, dass das ICC extrem gute, oft stille Arbeit im Hintergrund für einen reibungslosen Welthandel leistet. Wir bei der Deutschen Börse beispielsweise arbeiten hervorragend mit der ICC zusammen, um das für uns so wichtige Thema der Nachhaltigkeit der Finanzmärkte voranzutreiben. Für uns ist es eine vornehme Aufgabe, unseren Teil dazu beizutragen, die nächsten hundert Jahre des ICC zu unterstützen. Warum? Die ICC ist ein Garant des inter- nationalen Welthandels und damit des nachhaltigen Wohlstands auf unserem Planeten.“ Dr. Theodor Weimer Vorsitzender des Vorstands, Deutsche Börse AG Präsidiumsmitglied von ICC Germany „Die ICC ist heute ebenso wichtig wie vor 100 Jahren. Denn geopolitische Unsicherheiten und fundamentale technologische Umwälzungen stellen das Exportgeschäft vor große Herausforderungen. Es geht darum, den weltweiten Handel zu stärken und höhere gemeinsame Standards zu setzen. So können wir sicherstellen, dass unsere starken Unternehmen international wettbewerbsfähig bleiben. Und nicht zu vergessen: Handel ist eine Möglichkeit, Brücken zu bauen und Gemeinsamkeiten zu fi nden.“ Martin Zielke Vorsitzender des Vorstands, Commerzbank AG 20 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Herausforderung Neue Seidenstraße Europäische Antworten auf Chinas Auslandsexpansion Thilo Großer, Freier Wirtschaftsjournalist und Diplom-Volkswirt. China baut seit sechs Jahren an der „Neuen Seidenstraße“ – noch immer ohne breite deutsche Beteiligung. Nachdem Wirtschaft und Politik anfangs abwartend beobachtet haben, mehren sich die Initiativen, die Chinas geopolitische Strategie als Herausforderung ernst nehmen oder mitge- stalten wollen. Die EU will ihr gar nacheifern. Die ICC setzt sich für eine konkrete Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmensinvestitionen ein. m o c . o t o h p k c o t s i i – a n v d a k r A © 22 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Die Welt von morgen berichtet das amerikanische Center for Strategic and International Studies (CSIS). Geben chinesische Banken und Behörden die Spielregeln vor, verlangen sie von Auftragnehmern häufi g, dortige Normen und Standards anzuwenden. „Das ist sehr relevant für deutsche Unternehmen“, sagt Flatten. Angesichts solcher Entwicklungen fehlt es nicht an Warnungen vor Chinas ökonomischer Macht, zumal diese Europa spalten kann. Osteuropäische Regierungen koope- rieren bereits mit Peking, auch Italien ist eingestiegen bei Chinas Projekt. In dem Netz, wie China es knüpfe, sei es gegenüber jedem einzelnen Teilnehmer der wirtschaftlich stärkere Akteur und könne darum seine Vorstellungen durchsetzen, argumentiert Nadine Godehardt, stellvertretende Leiterin der Forschungs- gruppe Asien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Europas Seidenstraße heißt „Konnektivitätsinitiative“ Landes“, Kritik an Chinas Rolle auf der Weltbühne erspart nicht die Selbstkritik. Der BDI hat zu Beginn des Jahres dargelegt, was sich aus Sicht der deutschen Industrie im Umgang mit China ändern müsse – ein Katalog mit mehr als 50 Forderungen, die sich wohlgemerkt nicht an Peking, sondern an Berlin und Brüssel richten. „Man kann China nicht dafür kritisieren, die eigenen Interessen zu verfolgen. Das ist das Recht jedes sagt BDI-Außenhandelsexperte Strack. Wichtiger sind eigene Handlungen. „Es liegt an uns zu zeigen, dass wir in den betroff enen Ländern Projekte anstoßen und schnell umsetzen können.“ Seit einem Jahr scheint in Europa die Bereitschaft zu wachsen, Interessen gegenüber China klarer zu formulieren und stärker durchzusetzen. So empfi ng Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im März in Paris Präsident Xi Jinping nicht allein, sondern als Zeichen der Geschlossenheit Seite an Seite mit Angela Merkel und EU-Kom- missionschef Jean-Claude Juncker. ist Die EU-Kommission veröff entlichte ein Strategiepa- pier, das eine „Verschiebung des Gleichgewichts“ gegenüber dem „Systemrivalen“ China feststellt. 2018 rief sie eine eigene „Konnektivitätsinitiative“ ins Leben, die sich an Seidenstraßenländer richtet. Sie können Verkehrswege nun auch mithilfe euro- päischer Institutionen, Finanzen und Standards auf Vordermann bringen. „Wir begrüßen, dass die EU das Thema eurasische Konnektivität angeht“, sagt DIHK-Außenhandelschef Treier. „Letztlich für die deutschen Unternehmen wichtig, dass es diese Initiativen und damit verbundene Geschäftschancen gibt – umso besser, wenn diese auf Transparenz und internationalen Standards fußen.“ Für die Seidenstra- ßenländer könnte das Angebot der EU attraktiv sein, „wenn wir ihnen mehr lokale Wertschöpfung anbieten als China“, sagt Strack. Chinesische Firmen rekrutieren im Ausland kaum Arbeiter und erledigen vieles selbst. Darunter leidet ihr Image, etwa in Afrika. Begleitet wird die EU-Strategie von Hochschul- und Forschungskooperationen, zudem darf die Europä- ische Investitionsbank (EIB) nun auch in der Ferne, etwa mittelasiatischen Ländern, als Finanzier aktiv werden. „Die Kritik ist in China angekommen“ Befürworter einer Mitwirkung Deutschlands an der Neuen Seidenstraße stellen ab auf die Einfl ussmöglich- keiten, die sich daraus ergeben. „Wenn wir uns nicht in irgendeiner Art beteiligen, können wir uns nicht beschweren. Dann können wir auch wenig verbes- sern“, sagt Volker Treier vom DIHK. Der Zeitpunkt, die abwartende Haltung aufzugeben, scheint günstig, weil sich auch in China ein Umdenken ausmachen lässt. „Die internationale Kritik ist in China zumindest angekommen“, sagt Lisa Flatten. Auf dem diesjährigen Seidenstraßen-Gipfel betonte Chinas Staatschef, inter- nationale Standards stärker achten zu wollen – von der Projektentwicklung bis zum Ausschreibungsver- fahren. Ein solcher Schwenk kann mehr sein als ein Dr. Volker Treier, DIHK 24 Dr. Christian Kaeser, Siemens Dr. Nikolaus von Jacobs, McDermott Will & Emery ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

THE GLOBAL ARBITRAL INSTITUTION ALONG THE BELT AND ROAD Die Welt von morgen ICC National Committees ICC Court Members ICC National Committees and Court Members ICC Secretariat ICC Representative Oce ICC International Court of Arbitration Silk Road Economic Belt Maritime Silk Road @ICC_arbitration @ICCMediation #BeltandRoad Die ICC macht die Vorteile der internationalen Streitbeilegung und Mediation bei den Ländern der Seidenstraße bekannt. Seidenstraßen-Initiative beteiligt haben“, sagt John Denton, Generalsekretär der ICC. Auch die Unternehmen sieht er in der Pfl icht. „Sie müssen aktiv werden, und den Chinesen sagen, unter welchen Bedingungen sie sich engagieren wollen.“ Großen gelingt das eher als kleinen. Während Deutsche Bahn, Siemens, Voith oder Commerzbank ihre Seidenstraßen-Projekte selbst vorbereiten, verhandeln und umsetzen können, sind Mittelständler noch stärker auf teilnahmefreundliche Rahmenbedingungen angewiesen. Die gibt es noch nicht. Stattdessen verschreckt Investoren und Händler eine schleppende Zollabwicklung, Doppelbesteuerung und unberechenbare Streitschlichtung. Beim Korrupti- onsindex von Transparency International stehen viele Seidenstraßenländer schlecht da. Kurzum: Ohne bessere Behördenqualität vor Ort werden die neuen Handelswege nicht fl orieren. eine stärkere Service-Orientierung bis hin zur digitalen Abwicklung reichen. „Das alles in zwei Jahren abzuar- beiten, ist extrem ambitioniert“, schätzt Kaeser, der als Global Head of Taxes die Steuerabteilung von Siemens führt. Was rasche Fortschritte verspricht, sind Perso- nalschulungen. Erste Bildungsstätten – genannt Tax Academies – sind gegründet, davon eine in Kasachstan. Am ersten Kurs nahmen Steuerverwaltungen aus 13 Ländern teil, darunter Nepal, Tadschikistan und die Ukraine. „Das ist eine Supersache im ersten Schritt,“ sagt Kaeser. Denn die Unternehmen litten darunter, dass es entlang der Handelsrouten noch an Personal fehle, das Steuern und Zölle auf verlässliche Weise erhebe. Off en ist, ob Chinas grenzüberschreitende Steuer- und Zollko- operation in Konkurrenz zu jener der OECD, dem Forum on Tax Administration (FTA) tritt, oder ob sich beide in ihren Aktivitäten ergänzen. China arbeitet mit ICC zusammen Kommt der Schiedsspruch auf Chinesisch? Beim Abbau dieser Handelsbarrieren arbeiten China und Wirtschaftsorganisationen wie die ICC zusammen. Als Vorsitzender der ICC-Steuerkommission nahm Christian Kaeser im Frühjahr an der Tagung des Belt and Road Initiative Tax Administration Cooperation Forums (BRITACOF) in Wuzhen teil. Der dort beschlossene Zwei- jahresplan umfasst Maßnahmen, die von einer Analyse steuerlicher Hindernisse sowie deren Beseitigung über Maßnahmen für eine bessere Regelbefolgung durch die Finanzverwaltungen, mehr Rechtssicherheit und Ein institutioneller Wettbewerb mit off enem Ausgang herrscht auch bei den Schiedsgerichten. China hat 2018 drei spezielle Gerichte für die Neue Seidenstraße einge- richtet – eins für den Landweg, eins für den Seeweg und eins als Oberbehörde. Diese konkurrieren mit internationalen Schiedsgerichten um Streitfälle zwischen Geschäftspartnern unterschiedlicher Länder. „In der Regel entscheidet der mächtigere Vertragspartner darüber, wo verhandelt wird“, sagt Patricia Nacimiento, Partnerin in der Kanzlei Herbert Smith Freehills. Da bei 26 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Zukunft des internationalen Handels neu denken Die globale Wirtschaft befindet sich auf dem Weg heraus aus der klassischen dritten industriellen Revolution. Dementsprechend und keinesfalls überraschend sind viele der Schwierigkeiten des regelbasierten internationalen Handels systemische Prob- leme des Übergangs, die zusätzlich oder ursächlich durch Handelskriege, nationale Interessen, neue Technologien und Klimawandel verkompliziert werden. Ein Beitrag von Kai Goerlich beim ICC-Zukunftsforum © ipopba – istockphoto.com

Die Welt von morgen Zukunftsmatrix des Handels Konsum mit Nachhaltigkeit Die Erwartungen und das Verhalten der Konsumenten scheinen der Nachhaltigkeit entgegenzulaufen, wonach das Einkaufen ein Erlebnis sein sollte: leicht- füßig, von intelligenten Systemen unterstützt, und mit dem besten Preis. Konsumenten ändern sich und wollen aber auch zunehmend faire und nachhaltige Produkte. Sie sind bereit, ihr Verhalten anzupassen und Konsum zu reduzieren, wie der steigende Anteil an Bioprodukten und einer Sharing Economy zeigen. Einkaufsverhalten und Nachhaltigkeit widersprechen sich nur dann, wenn wir gedanklich in der Logik der vergangenen Jahre bleiben. Angesichts der erfahr- baren Klimakrise können wir davon ausgehen, dass in fast jedem politischen System strengere Regeln für Nachhaltigkeit eingeführt werden. Spezialisierungen Die Globalisierung hat den menschlichen Fußabdruck vergrößert und Millionen von Menschen aus der Armut geholt. Viele Länder in Asien, Lateinamerika und Afrika haben schnell aufgeholt und das globale Spielfeld ist deutlich nivellierter als früher. Der Erfolg hat auch in diesen Ländern zu steigenden Lohnkosten geführt, was sie weniger attraktiv für Outsourcing macht, und die zunehmende Automatisierung, vor allem die schnellen Fortschritte in der Robotik, werden die Produktions- kosten in allen Ländern weiter senken. Global gesehen werden die Arbeitskosten nicht mehr der entschei- dende Standortfaktor sein. Die künftigen Wertschöp- fungsketten werden zunehmend auf Spezialwissen und hochqualifizierter Arbeit aufbauen. Regionalisierung Der grenzüberschreitende Austausch von Waren und Dienstleistungen hat in den letzten Jahren an Dynamik verloren. Wertschöpfungsketten, beispielsweise in der Automobilbranche oder in der Elektronik, werden regi- onaler und die Märkte – etwa in Asien – konsumieren einen zunehmend höheren Anteil der dort produzierten Produkte selbst. Hinzu kommt, dass der Dienstleis- tungstransfer schon heute wesentlich schneller wächst als der Warenhandel, zudem mit einer deutlich höheren ökonomischen Wertsteigerung. Ein Szenario, das mehr auf Dienstleistungstransfer als auf Güteraustausch und auf einer zunehmend regionalen Produktion basiert, die nur noch bestimmte Ressourcen global einkauft, ist daher durchaus plausibel. Digitale Transformation Die Digitalisierung, Technologien wie Internet of Things, Cloud Computing, Machine Learning, Blockchain und 5G, werden die Transformation der Wirtschaft und des internationalen Handels vorantreiben. Einer der bereits erkennbaren Faktoren wird die zunehmende Unabhängigkeit von Maschinen sein, wobei „Maschine“ ein Roboter, ein Gerät, ein Auto, ein Algorithmus oder eine Nanomaschine sein kann. Die Automatisierung läuft bereits seit Jahrzehnten, aber seit den ersten Schritten Intelligenz durch maschinelles Lernen (machine learning) sehen wir eine signifikante Veränderung: Maschinen und Soft- ware sind zunehmend in der Lage, selbstständig zu in Richtung künstliche 30 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Die Welt von morgen Teile der Wertschöpfungsketten neu aufgebaut werden müssten, könnte über den internationalen Handel ein alternatives und parallel laufendes System etabliert werden, das sich zumindest beim Handel mit kritischen Ressourcen an Nachhaltigkeit und Fairness orientiert. Aufgrund der Komplexität der globalen Lieferkette wird sich dieses Szenario nur mit IT, unterstützenden Algo- rithmen und abgesicherten Datenströmen umsetzen lassen. 4. Jenseits der Industrialisierung In diesem Szenario verlassen wir die produktionsba- sierte Wirtschaft der klassischen Industrialisierung. Das Zusammenspiel zwischen Klimawandel, neuen Technologien wie 3D-Drucken, zunehmendem Anteil an Dienstleistungen und global koordinierte Liefer- ketten, wird zu einer weitgehend lokalen Produktion inklusive Kreislaufwirtschaft führen. Der Handel wird zu einem globalen Austausch von Daten und Wissen und parallel stark lokalisiert und personalisiert agieren, weitgehend unabhängig von der Politik. Die politischen Systeme werden sich daher außerhalb der klassischen Wirtschaft neu defi nieren. Fazit Die vorliegenden Szenarien zeigen, dass die Zukunft des internationalen Handels zwar abhängig vom politischen (Un)Willen der Län- der ist, dass aber der zunehmende Klimawandel und seine Auswirkungen und die immer stär- kere Bewegung aus der klassischen industriel- len Revolution heraus, eine vermutlich größere Wirkung entfalten werden. Für die Akteure der Wirtschaft kann dies eine Chance sein, der momentanen politischen Vereinnahmung zu entgehen und eine sich schnell verändernde, nachhaltig agierende Gesellschaft mitzugestal- ten, in der Arbeit, Erwerb und Handel neuen Ideen folgen werden. Vertiefende Literatur Baldwin, R (2016), The Great Convergence: Information Technology and the New Globalization, Cambridge, MA: Harvard University Press. Baldwin, R (2019), The Globotics Upheaval: Globalization, Robotics, and the Future of Work, Oxford University Press. Bughin, J and S Lund (2017), “The ascendancy of international data fl ows,” VoxEU.org, 9 January. Djankov, S, C Freund and C S Pham (2010), “Trading on time,” The Review of Economics and Statistics 92(1). Freund, C and D Weinhold (2000), “On the eff ect of the internet on international trade,” Board of Governors of the Federal Reserve System International Finance Discussion Paper No. 693. Harvard University, Growth Lab, Atlas of economic complexity, letzter Zugriff August 2019. Hausman, W H, H L Lee and U Subramanian (2013), “The impact of logistics performance on trade,” Production and Operations Management 22(2). Gygli, Savina, Florian Haelg, Niklas Potrafke and Jan-Egbert Sturm (2019): The KOF Globalisation Index – Revisited, Review of International Organizations. Lund, S and L Tyson (2018), “Globalization is not in retreat,” Foreign Aff airs, May/June. McAfee, A and E Brynjolfsson (2017), Machine, Platform, Crowd: Harnessing Our Digital Future, New York, NY: W W Norton & Company. McKinsey Global Institute (2019), Globalization in transition: The future of trade and value chains, January. McKinsey Global Institute (2017), Jobs lost, jobs gained: Workforce transitions in a time of automation, December. McKinsey Global Institute (2016), Digital globalization: The new era of global fl ows, March. Miroudet, S and C Cadestin (2017), “Services in global value chains: From inputs to value-creating activities,” OECD Trade Policy Papers 197. Timmer, Marcel et al. (2016), “An anatomy of the global trade slowdown based on the WIOD 2016 release,” University of Groningen Growth and Development Center, Research Memorandum 162. United Nations, World Economic Situations and Prospects, 2019. VOX, 2019. World Trade Organization (2018), World trade report 2018: The future of world trade: How digital technologies are transforming global commerce, October. Yuval Noah Harari, 21 lessons for the 21 century, 2018. 32 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Revolution im internationalen Steuersystem Wie wird die globale Steuerordnung ab 2020 aussehen? Unter dem Label der „Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft“ bereitet die Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) nichts Geringeres als eine Revolution in der Unter- nehmensbesteuerung vor. Marktstaaten sollen künftig einen höheren Anteil am Gewinn der Unter- nehmen erhalten und zum ersten Mal diskutiert die OECD über einen globalen Mindeststeuersatz. 34 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9 m o c . o t o h p k c o t s i – o r p t o p e d e g a m i ©

Auf der International Tax Conference im Juni 2019 in München diskutierten Vertreter aus Wirtschaft und Politik, u.a. Valère Moutarlier, Direktor der EU-Kommission für Steuerangelegenheiten, Michael Lennard, Leiter der Sektion für internationale Zusammenarbeit in Steuersachen in der Abteilung Wirtschaft und Soziales der Vereinten Nationen sowie Sekretär des UN-Steuerausschusses und Grace Perrez-Navarro, Vize-Steuerchefin der OECD. Um diesen beiden Druckpunkten der internatio- nalen Besteuerung von Gewinnen zu entgegnen, sind im Rahmen der OECD nun zwei umfassende Neuregelungen in der Diskussion. Einerseits sollen die weltweiten Gewinne der Unternehmen mit einer Mindestgewinnbesteuerung belegt werden, damit eine Niedrigbesteuerung künftig verhindert wird (Mindest- steuer). Andererseits sollen die Gewinne anders als bisher stärker dem Ort des Konsums zugeordnet werden (Reallokation von Besteuerungsrechten). Wesentlich ist, dass beide Maßnahmen nur noch sehr eingeschränkt mit der Besteuerung der „digitalisierten Wirtschaft“ in Verbindung stehen. Dies gilt uneinge- schränkt für die von der deutschen Bundesregierung in die Diskussion eingebrachten Mindestbesteuerung. Aber auch die Reallokation von Besteuerungsrechten geht über die ursprünglich vorgesehene Zielgruppe hinaus, da insbesondere die USA eine Begrenzung auf die dort besonders erfolgreichen Digitalkonzerne kate- gorisch ablehnen. ihres Ministertreffens am 8./9. Juni 2019 in Fukuoka, Japan, angenommen wurde. im Arbeitsprogramm dargelegten Vorschläge Die waren Gegenstand der Diskussion auf der „ITC Munich 2019“. Pascal Saint-Amans, Direktor des Zentrums für Steuerpolitik und -verwaltung der OECD, hielt die Eröffnungsrede. Laut Saint-Amans sind Steuerfragen zu wichtig geworden, um zu scheitern („too big to fail“). Die Mitglieder des Inclusive Framework wollen die grundlegende Architektur der Reformansätze der ersten und zweiten Säule des OECD-Arbeitspro- gramms (Reallokation von Besteuerungsrechten und Mindestbesteuerung) bis Anfang 2020 beschließen und eine konsensbasierte Lösung für sie finden. Die G20-Staaten haben bei ihrem Gipfel in Fukuoka im Juni 2019 bestätigt, dass die Anstrengungen intensiviert werden sollen, um eine Einigung bei der Entwicklung einer Lösung für die steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung zu erzielen. Die Details sollen dann bis Ende 2020 ausgearbeitet werden. Konsensuale Maßnahmen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung Drohende Komplexität reduzieren Die Wirtschaft hat unilaterale Maßnahmen stets mit dem Hinweis kommentiert, dass eine möglichst konsensuale Lösung anzustreben sei, um einheitliche Gewinnauftei- lungsregeln zu erreichen und damit Doppelbesteuerung zu vermeiden. Zu diesem Zweck haben die G20/OECD- Staaten eine Gruppe von weiteren Staaten gegründet, das sog. Inclusive Framework, dem mittlerweile mehr als 130 Staaten angehören. Sodann veröffentlichte die OECD im Mai ein Arbeitsprogramm zur Entwicklung einer zwischen den Staaten konsensualen Lösung für „die steuerlichen Herausforderungen aufgrund der Digitalisierung der Wirtschaft“, das Ende Mai 2019 auf der Plenarsitzung des Inclusive Framework gebilligt und später von den Finanzministern der G20 während Für die Unternehmen ist wesentlich, dass beide Säulen in der praktischen Umsetzung nicht zu komplex werden. Bei der Mindestbesteuerung muss das globale Mindest- besteuerungsniveau moderat sein und darf nicht zu einer Verschärfung bisheriger Regelungen führen. Viel- mehr müssten geltende Antimissbrauchs-Regelungen abgebaut werden, da sie neben der Mindestbesteue- rung keine legitime Funktion mehr hätten. Weiterhin sollte das Ziel eines Mindestbesteuerungsniveaus mit der Absenkung der Unternehmenssteuerbelastung in Deutschland zu einem sinnvollen Gesamtpaket geschnürt werden, das fiskalische und wirtschaft- liche Interessen miteinander in Ausgleich brächte. Die Reallokation von Besteuerungsrechten darf nicht 36 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Humanitäre Logistik Wie sich die Logistik im Fall von Naturkatastrophen verbessern lässt Die Lieferung von Hilfsgütern in Katastrophengebiete ist eine besondere Herausforderung für Logistiker. Zollverfahren für die Hilfsgüter erschweren häufi g die Versorgung Betroff ener. Die ICC und ihre Mitglieder arbeiten mit Regierungen und Zollverwaltungen zusammen, um die Zollver- fahren in einem Katastrophenfall zu vereinfachen. 38 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9 m o c . o t o h p k c o t s i – a l a b a l a h C ©

Die Welt von morgen von In Zusammenarbeit mit zuständigen Behörden werden Präventionsmaßnahmen an Flughäfen durchgeführt. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Flughäfen werden unter Anleitung von Luftfracht- und Logistik- experten von DPDHL geschult sowie Notfallpläne und Dokumente konzipiert, gemäß dem Credo „Hilfe zur Selbsthilfe“, um somit für den Ernstfall gerüstet zu sein. Gleichzeitig ist die Kommunikation und Koordination unter diesen extremen Situationen wichtig und kann gegebe- nenfalls durch präventive Schulungen optimiert werden. Empfehlungen für vereinfachte Zollverfahren bei der Versorgung Betroff ener Die ICC hat im Februar 2019 das Positionspapier „ICC Business Recommendations on the Customs Treatment of Relief Shipments in Humanitarian Emergencies“ vorgestellt. Darin macht die Wirtschaft Empfehlungen, wie die Behandlung und Verzollung von Hilfsgütern in Katastrophenfällen verbessert werden kann. Das Ziel ist es, die Logistik für Hilfstransporte im Notfall zu opti- mieren. Humanitäre Hilfsgüter sind häufi g Restriktionen unterworfen, die einen Transport nicht unerheblich erschweren. Zollbehörden sind nur begrenzt erreichbar, Hilfsgüter oder die einem Transport dazugehörenden Dokumente werden extensiv oder langwierig überprüft oder es wird eine Übersetzung der Dokumente in die Landessprache gefordert, die Liste der Hilfsgüter ist unnötig begrenzt oder die Zeitspanne, in der Hilfsgüter in ein Land eingeführt werden können, auf wenige Tage reduziert. Wenn die Infrastruktur in einer grenznahen Region wesentlich beeinträchtigt ist, empfi ehlt sich häufi g, die Versorgung der betroff enen Gebiete über das Nachbarland sicherzustellen. Wenn jedoch in dem Nachbarland eine Lieferung von Hilfsgütern in kleinere Sendungen kommissioniert wird, erhöhen sich aber die Zoll-, Einfuhr- und Ausfuhrformalitäten wesentlich. In einem solchen Fall drohen dann humanitäre Hilfspro- jekte an grundsätzlich überwindbaren Hürden zu schei- tern oder zumindest sich zu verzögern. Fazit Jeder Katastrophenfall stellt seine eigenen speziellen Herausforderungen an die internationale Hilfsge- meinschaft und der humanitären Logistik kommt dabei ohne Frage eine entscheidende Rolle zu. Insbe- sondere wenn die Infrastruktur beeinträchtigt ist, gilt es eff ektive und effi ziente Lösungsansätze zu imple- mentieren. Private Public Partnerships mit Unter- nehmen aus dem Logistikbereich können dringend benötigte Expertise und Ressourcen einbringen. Gleichzeitig lassen sich eine Vielzahl an anderen Herausforderungen und Hürden identifi zieren, welche es der humanitären Logistik erschweren, wie z.B. Beeinträchtigung der Kommunikation und Koordination und speziell der Umgang mit Behörden und der Zoll- und Warenabfertigung von Hilfsgütern. Es wird ersichtlich, dass präven- tive Maßnahmen dringend notwendig sind und es zudem an international gültigen und standardi- sierten Prozessen und Kennzeichnungsregularien fehlt, um der humanitären Logistik im Krisenfall die benötigte Priorisierung und erleichterte Einfuhr zu gewährleisten. Die ICC hat in ihrem Positionspapier „ICC Business Recommendations on the Customs Treatment of Relief Shipments in Humanitarian Emergen-cies“ konkrete Empfehlungen gemacht, um zukünftigen Hilfsprojekten eine bessere Aus- gangslage zu schaff en. ICC BUSINESS RECOMMENDATIONS ON THE CUSTOMS TREATMENT OF RELIEF SHIPMENTS IN HUMANITARIAN EMERGENCIES BUSINESS RECOMMENDATIONS Prepared by the ICC Commission on Customs and Trade Facilitation Summary and highlights The ICC Business Recommendations highlight some of the key challenges business and governments must overcome, include real business case examples and contain a set of policy recommendations to ensure the smooth and efficient delivery of relief shipments following natural disasters and humanitarian emergencies. Die ICC-Kommission zu Zoll und Handels- erleichterungen macht in ihrem Positions- papier Vorschläge, wie die Behandlung und Verzollung von Hilfsgütern in Katas- trophenfällen verbessert werden kann. ssion and Trade Facilitation 40 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Incoterms® 2020 Anpassung an die neue, globale Handelspraxis Es ist jedes Mal das Gleiche. Die Praxis zeigt sich vor der Veröff entlichung einer neuen Incoterms®-Ausgabe, die seit langem im 10-Jahresrhythmus erfolgt, sensibilisiert, fast schon aufgeregt: Zu viel hängt für den erfolgreichen Geschäftsverkehr davon ab, wie die von der Praxis eingesetzten Standardlieferbedingungen inhaltlich ausgestaltet sind. Schon vor Veröff entli- chung der neuen Incoterms® 2020 wurde vermutet, dass „sich nur wenig ändere“ und eigentlich alles beim Alten bleiben werde. Bei genauem Hinsehen ist jedoch festzustellen, dass die neue Incoterms® 2020-Version eine Fülle von Neuerungen aufweist. ICC Germany bietet im Herbst 2019 in 40 Veranstaltungen deutschlandweit die Möglichkeit, sich im Detail über die neuen Incoterms® 2020 zu informieren. 42 ICC Germany-Magazin Ausgabe 8 m o c . o t o h p k c o t s i – x y d d u g - f m ©

Internationaler Handel und Recht A1/B1 A2/B2 A3/B3 A4/B4 A5/B5 A6/B6 A7/B7 A8/B8 A9/B9 A10/B10 Allgemeine Verpflichtungen Lieferung/Übernahme Gefahrenübergang Transport Versicherung Liefer-/Transportdokument Ausfuhr-/Einfuhrabfertigung Prüfung/Verpackung Kennzeichnung Kostenverteilung Benachrichtigungen Die Gefahr des zufälligen Verlusts oder der Beschä- digung der Ware sowie die Pflicht, die durch die Ware bedingten Kosten (z.B. Transport, Versicherung, Zölle) zu tragen, geht vom Verkäufer auf den Käufer über, wenn der Verkäufer seine Verpflichtung zur Lieferung der Ware erfüllt hat. Da der Käufer keine Gelegenheit haben soll, diesen Übergang zu verzögern, können Kosten und Gefahrübergang auch vor der Lieferung liegen, wenn der Käufer nicht wie vereinbart abnimmt oder wenn er es versäumt, Anweisungen zu geben, die der Verkäufer zur Erfüllung seiner Lieferverpflichtung benötigt. Inhalt (1) Die zuvor genannten, textlich neu gefassten Inco- terms®-Regeln enthalten Begriffe, die aufgrund ihrer praktischen Bedeutung deutlicher hervorge- hoben werden, als es noch bei den älteren Inco- terms®-Versionen der Fall war. Ein Beispiel dafür sind die „sicherheitsbezogenen Anforderungen“ im Zusammenhang mit Transporten (in A4 und A7 jeder der elf Incoterms®-Klauseln), die das zuneh- mende Sicherheitsbewusstsein im Warentransport (z.B. die CSI-Initiative nach den Terroranschlägen in den USA) spiegeln. Auch die Ausfuhr-/Einfuhrabfer- tigung erfährt besondere Aufmerksamkeit, indem sie in jeder der elf Klauseln in den „erläuternden Kommentaren“ aufgeführt und in jeder Klausel in A7/B7 detailliert geregelt wird. Neu ist die in FCA B6 aufgenommene Möglichkeit, dass bei einem Verkauf von Waren als Seefracht und der Verein- barung von FCA – zusätzlich – ein Konnossement mit An-Bord-Vermerk verlangt werden kann, was in der Praxis nur durch entsprechende Ergänzung der FCA-Vereinbarung im zugrunde liegenden Kaufver- trag möglich werden kann. (2) Eine wesentliche inhaltliche Neuerung gibt es bei CIP, soweit dort die Versicherungspflicht betroffen ist. Während es in früheren Incoterms®-Versionen üblich war, bei CIF und CIP eine Versicherungspflicht nur anhand der Mindestdeckung der Institute Cargo Clauses (C) festzulegen, wurde der praktische Bedarf insbesondere bei CIP erkannt, den Versi- cherungsschutz deutlich zu verstärken und auf „all risks“ auszuweiten. Diese Neuregelung des grund- sätzlich höheren all risks-Versicherungsschutzes bei Vereinbarung von CIP wurde in der Drafting Group lange diskutiert, ebenso wie die Beibehaltung der Mindestdeckung in CIF. Die in den Incoterms® 2020 unterschiedliche Versicherungspflicht in CIP und CIF ist in der Praxis letztlich nicht weiter schädlich: Die Incoterms®-Klauseln CIP / CIF sehen nämlich in A5 die Möglichkeit vor („sofern nicht anders vereinbart oder handelsüblich…“), von dieser Vorgabe der Incoterms® durch Parteivereinbarung abzuweichen und eine Höher- oder Minderversi- cherungsdeckung der Transportversicherung abzu- schließen. Auch hier ist es dann erforderlich, bei Abschluss des Kaufvertrages und Vereinbarung der Incoterms®-Lieferbedingung eine entsprechende vertragliche Zusatzvereinbarung im Hinblick auf die Transportversicherung zu treffen. (3) Geändert hat sich mit den Incoterms® 2020 auch eine Incoterms®-Klausel. DAT, gerade erst mit den Incoterms® 2010 neu eingeführt, wird schon wieder gestrichen, weil sich die Klausel im Praxistest als nicht geeignet erwies. Stattdessen entspricht es der praktischen Anwendung, stets von einem „Bestim- mungsort“ auszugehen, der ein Terminal mitein- schließen kann. Die Klauseln DAP und DPU haben nunmehr ein wichtiges Unterscheidungskriterium darin, dass bei DPU die Ware „an einem Bestim- mungsort geliefert und entladen“ werden muss. DPU ist damit die einzige Klausel, die den Verkäufer verpflichtet, die Ware am Bestimmungsort auch zu entladen. Auswahl der „richtigen“ Klausel Es ist ein besonderes Anliegen der neuen Incoterms® 2020-Version, dem Nutzer möglichst viel Hilfestellung an die Hand zu geben, damit die für das jeweilige Geschäft geeignete Incoterms®-Klausel genutzt wird: Zum einen zeigt die Trennung zwischen „Klauseln für alle Transportarten“ und „Klauseln für den See- und Binnenschiffstransport“, dass es bei der Auswahl der Incoterms®-Klausel auf die Berück- sichtigung der gewählten Transportart ankommt. So eignen sich die Klauseln FOB, FAS, CFR und CIF besonders dann, wenn die Ware per Schiff transportiert wird und der Abgangsort (Lieferort / Verladehafen / Ladehafen) sowie 44 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Internationaler Handel und Recht Anwender-Community zu den Wir haben die Anwender gefragt, was die Incoterms® für sie bedeuten. Noch ausführ- licher kommen viele der nachfolgenden Experten auf unserem neuen Portal www.incoterms2020.de zu Wort. Dort fi nden Nutzer und Nutzerinnen neben der Möglich- keit zur Bestellung der neuen Richtlinien alles rund um die neuen Incoterms®-Regeln. „Die Incoterms® sind fast so etwas wie das Gesetzbuch für den Transporteur. Sie sind der Standard und die wichtigste Grundlage für unser Handeln wie das unserer Kunden. Dank der Richtlinien in diesem Buch wissen wir genau, wer welche Kosten bezahlt und wie wir sie abzurechnen haben oder etwa wie der Gefahrenübergang einer Lieferung zu regeln ist. Die Incoterms® geben uns Sicherheit und vermeiden unnö- tige Konfl ikte. Viele Fehler und Diskussionen können umgangen werden, wenn man auf das Werk zurückgreift und nach seinen Empfehlungen und Richtlinien arbeitet.“ „Die Anwendung der Incoterms® in der Praxis funktioniert in der Regel reibungslos. Wenn es zu Problemen kommt, dann liegt das meist an Faktoren wie dem Zoll oder der Einfuhrumsatzsteuer. Daher sind und bleiben Schulungen und Erfahrungsaustausch zu diesen Punkten für uns sehr wichtig.“ Anneke Fiesel Projektmanagerin Medical Repair Services (MRS) Olympus Europa Willem van der Schalk Geschäftsführer a.hartrodt Deutschland (GmbH & Co) KG

Internationaler Handel und Recht Schutz von Geschäftsgeheimnissen Erfahrungen aus der Industrie zu unternehmensinternen Maßnahmen Das neue deutsche Geheimnisschutzgesetz ist ein Weckruf für Unternehmen, die den Schutz von Geschäftsgeheimnissen häufig unterschätzen. Der Artikel skizziert die geänderte Rechtslage. Er gibt praxisrelevante Tipps für die notwendige Umsetzung von „angemessenen Geheimhaltungs- maßnahmen“, die auch beim Business Breakfast von ICC Germany im Mai 2019 diskutiert wurden. m o c . o t o h p k c o t s i – v o k a b a k x a m © Neue Rechtslage Im April 2019 hat Deutschland das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) verabschiedet und damit die EU-Richtlinie 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb, Nutzung und Offenbarung aus Juni 2016 umgesetzt. Durch dieses neue Stammgesetz werden die §§ 17, 18 UWG abgelöst, die bisher den Geheimnisschutz aufgrund von Rechtsprechungsrecht geregelt haben. Der für Unternehmen wichtigste Unterschied im Vergleich zum bisherigen Recht ergibt sich aus der neuen Anforderung, dass das Geschäftsgeheimnis „Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaß- nahmen“ ist (§ 2 Nr. 1 b GeschGehG). Für Deutschland bedeutet dies einen Paradigmenwechsel: Während nach bisheriger Rechtslage der subjektive Geheimhaltungs- wille vermutet wurde, muss der Rechtsinhaber nunmehr darlegen und beweisen, dass das streitige Geheimnis die Schutzvoraussetzungen erfüllt. Dies stellt die Unter- nehmen vor die Herausforderung, dass das Geheimnis definiert und die vorgesehenen Maßnahmen festgelegt und dokumentiert werden müssen. Konkret bedeutet dies, dass die Geschäftsgeheimnisse klassifiziert werden müssen, notwendige angemessene Sicherungsmaß- nahmen getroffen und organisatorische Maßnahmen eingeführt werden (vgl. auch den neu veröffentlichen ICC-Report „Trade Secrets – Recent EU and US reforms“). Definition und Klassifizierung von Geschäftsgeheimnissen In einem ersten Schritt sind die zu schützenden Infor- mationen zu identifizieren. Die konkrete Information darf dem relevanten Personenkreis nicht allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich sein und muss von wirtschaftlichem Wert sein. In Abgrenzung zu Immaterialgüterrechten ist also die tatsächliche Geheimhaltung notwendig und eine besondere Qualität für den rechtlichen Schutz nicht erforderlich. Plakativ gesprochen kann jedes Dokument, das sich auf dem Schreibtisch oder im Computer eines Mitarbeiters befindet, ein Geschäftsgeheimnis sein, sofern dieses nicht trivial und für das Unternehmen von wirtschaft- lichem Wert ist. Um alle Bereiche zu erfassen, ist es praktikabel, sich an den internen Prozessen zu orien- tieren, um so z.B. Forschungs- und Entwicklungsdaten, Kundendaten, Lieferantendaten, Produktionsdaten, ICC Germany-Magazin Ausgabe 9 Dr. Claudia Pappas ist Leiterin der Markenab- teilung bei thyssenkrupp. Sie hat am ICC-Report „Protecting Trade Secrets“ mitgearbeitet und verantwortet bei thyssenkrupp die konzernweite Umsetzung und Implementierung von Maßnahmen zum Geheimnisschutz. 48

Internationaler Handel und Recht Der neue ICC-Report „Protecting Trade Secrets – Recent EU and US Reforms” wurde am 6. Mai 2019 in Düsseldorf auf einer Veranstaltung von ICC Germany mit Unterstützung der Kanzlei Dentons vorgestellt. Oben rechts: Die Refe- renten Tjibbe Douma, Partner, Dentons Boekel, Amsterdam, Dr. Stefan Dittmer, Partner, Dentons, Berlin, Co-Chair der ICC TF zu Trade Secrets, Dr. Claudia Pappas, Head of IP Team Trademarks thyssenkrupp Intellectual Property GmbH, sowie Dr. Katrin Rupprecht, Director ICC Germany. Download des ICC-Reports www.iccgermany.de Schließlich sind vertragliche Sicherungsmaßnahmen einzuführen bzw. bestehende Vertragsmuster zu über- prüfen. Vorvertraglich ist mit Dritten und potenziellen Vertragspartnern in allen Fällen, in denen vertrauliche Informationen ausgetauscht werden, eine Geheimhal- tungsvereinbarung abzuschließen. Zudem sollen alle Verträge, bei denen geheimhaltungsbedürftige Infor- mationen weitergegeben werden, eine Vertraulich- keitsvereinbarung enthalten. Mindestinhalt für diese vertraglichen Regelungen sollte sein: Spezifikation der zu offenbarenden Geschäftsgeheimnisse Verbot des reverse engineering Einhaltung des need-to-know-Prinzips Sicherung durch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen Auch die Arbeitsverträge sollten überprüft werden. Erfahrungsgemäß erfolgt die größte Anzahl der Geheimnisverletzungen durch ausscheidende Arbeit- nehmer. Demgemäß sollte der Arbeitsvertrag detail- lierte und möglichst spezifische Vertraulichkeitsver- einbarungen enthalten. Sinnvoll, wenn auch aufwändig ist es, diese regelmäßig, z.B. im jährlichen Turnus zu überarbeiten. Es kann sich zusätzlich anbieten, einzelne der Geheimhaltung unterliegende Gegen- stände in einer ausführlichen Liste an geeigneter Stelle in der IT vorzuhalten und im Arbeitsvertrag darauf zu verweisen. Zudem sollte im Arbeitsvertrag auch die Verpflichtung des Arbeitnehmers enthalten sein, keine unrechtmäßigen Geschäftsgeheimnisse einzubringen oder zu verwenden (Schutz vor „Kontaminierung“). Dem Arbeitnehmer sollte auch untersagt werden, das Geschäftsgeheimnis durch „reverse engineering“ zu erlangen. Insbesondere bei größeren Projekten und beim Ausscheiden des Arbeitnehmers sollten geson- derte Vertraulichkeitsvereinbarungen abgeschlossen werden, in denen konkret die geheimhaltungsbedürf- tigen Informationen spezifiziert aufgeführt werden. 50 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Vertraglicher Umgang mit Sanktionsrisiken Best Practices in global tätigen Unternehmen Der Beitrag „Vertraglicher Umgang mit Sanktionsrisiken“ war Teil einer Podiumsdiskussion beim 4. Arbitration Day “Economic Sanctions and International Arbitration” der ICC Germany in Frankfurt am Main, die mit Unterstützung von Herbert Smith Freehills umgesetzt wurde. In einer kontro- versen Diskussion beleuchteten mit Sabine Habermeier (Siemens), Lutz Lehmann (Commerzbank) und Katja Stockburger (ZF Friedrichshafen AG) Vertreter von Industrie und Banken verschiedene Sichtweisen aus der Praxis zum hochaktuellen und politischen Thema „Wirtschaftssanktionen und Arbitration“. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Nikolas Hübschen, Uniper SE. 52 ICC Germany-Magazin Ausgabe 8 m o c . o t o h p k c o t s i – s l a t n e m e l e ©

Herausforderungen in der Praxis Die vertraglichen Herausforderungen, die sich durch Wirtschaftssanktionsklauseln stellen, sind vielfältig und reichen bei globalen Verträgen von Haftungs- klauseln, Confl ict of laws, Anti-Boykott-Regelungen, Force-Majeure- und Vorbehaltsklauseln bis hin zu weitreichenden Informationspfl ichten über die Klassi- fi zierung der Güter. Das exportierende Unternehmen steht hier oft vor der Schwierigkeit der Defi nition des anwendbaren Rechts bis hin zu praktischen Fragen, inwiefern die zu exportierenden Güter (Technologie, Software bis hin zu Hardware) von Sanktionsklauseln betroff en sind. Ferner werden sogenannte Compliance-Erklärungen in Bezug auf EU- und US-Sanktionen immer detail- lierter und verpfl ichten exportierende Unternehmen weitreichend. Eine große Herausforderung sind dabei oft Sanktionsklauseln in globalen Verträgen mit extra- territorialer Wirkung. Denn aufgrund der Wirtschafts- sanktionen in den vergangenen Jahren haben auch die Sanktionsklauseln, insbesondere mit US-Bezug, stark zugenommen. Diese Zunahme an Sanktionsregelungen in Verträgen und Compliance-Erklärungen führt oft zu einer Art „Overcompliance“, die über das anwendbare Recht weit hinausgeht und Unternehmen in ihrem rechtlichen Gestaltungsspielraum stark einschränkt. Lösungsansätze und Best Practices Aufgrund des politischen Hintergrundes der Sankti- onsklauseln ist grundsätzlich ein risikobasierter Ansatz zu empfehlen. Je nach Vertragskonstellation bietet es sich an, im Sanktionskontext anerkannte Standard- klauseln zu benutzen, etwa im Embargokontext die ICC-Force-Majeure-Klausel. Denn oft können sich die Parteien auf internationale Standardklauseln eher einigen, als auf unternehmensintern entwickelte Klau- seln. Grundsätzlich sind auch Schiedsgerichtsklauseln wie die ICC Standard Arbitration Clauses zu empfehlen, um im Streitfall ein zuständiges Gericht defi niert zu haben. Ferner gibt es im EU-Kontext sogenannte Vorbehalts- klauseln, die das Zustandekommen des Vertrags unter den Vorbehalt der behördlichen Genehmigung stellen. Denn einige EU-Embargorichtlinien verbieten neben bestimmten Liefer-, Beförderungs-, Dienstleistungs-, Finanzierungs- und Weitergabeverboten bereits den Verkauf gelisteter Güter 7, sodass das Sanktionsrisiko stark vorverlagert wird. Eine Best Practice in Vertragsverhandlungen ist im Eskalationsfall auch die Kontaktaufnahme mit den für die Exportkontrolle zuständigen Ansprechpartnern des Vertragspartners – sofern möglich. Denn durch das Gespräch mit den Experten fi nden sich oft Vertrags- klauseln, die auf das konkrete Geschäft passen. Ein Hinweis auf das eigene ICP – das interne Kontroll- programm nach BAFA- und OFAC-Modell – schaff t beim Vertragspartner eine professionelle Basis und Vertrauen für Vertragsverhandlungen. Ein praktischer Lösungsansatz im Embargokontext, der vor allem durch Finanzsanktionen geprägt ist, ist ferner auch Vorauskasse – dies jedoch freilich weniger ein juristisches denn ein betriebswirtschaftliches Handwerkszeug. Fazit: ICC-Standardklauseln geben Sicherheit Im Embargo- und Sanktionskontext gibt es keine „One size fi ts all“-Lösung. Vielmehr ist hohe Expertise des Exportkontrollpersonals im Unternehmen erforderlich, um zunächst die Relevanz der Sanktionsklauseln im konkreten Fall anhand eines risikobasierten Ansatzes zu beurteilen und dann eine angemessene Rechts- gestaltung zu fi nden. Die ICC-Standardklauseln bieten jedoch eine gute Hilfestellung, um pra- xistaugliche Lösungen für die verschiedenen Vertragskonstellationen in der sich stetig wan- delnden politischen Sanktionslage zu fi nden und geben Sicherheit. 1 Vgl. Sachs, Sanktionen und Embargos der EU, in Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht , 2017, S. 64 ff . 2 Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen gelisteter Personen. 3 Unmittelbare oder mittelbare Bereitstellung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen (Vermögenswerte) an gelistete Personen. 4 Vogt/Arend, Sanktionen und Embargos der EU, in Hocke/Sachs/Pelz „Außenwirtschaftsrecht“ S. 898. 5 Vogt/Arend, Sanktionen und Embargos der EU, in Hocke/Sachs/Pelz „Außenwirtschaftsrecht“ S. 898. 6 DICO-Arbeitskreis Exportkontrolle, Sanktionslistenscreening in der Praxis, Leitfaden, 2019, S. 6. 7 Bspw. Art 3a I VO (EU) 267/2012 (Iran); Art. 2 I VO (EU) 36/2012 (Syrien). 54 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Ein Jahr DSGVO Die privatrechtliche Durchsetzung des neuen Datenschutzrechts wird zunehmen Ein Jahr nach ihrem Inkrafttreten spielt die privatrechtliche Durchsetzung der Datenschutzgrund- verordnung in der Wahrnehmung vieler Unternehmen noch keine Rolle. Dabei werden weitere Regulierungen im Umgang mit persönlichen Daten folgen und es ist damit zu rechnen, dass die Risiken im Zusammenhang mit datenschutzrechtlichen Zivilprozessen zunehmen werden. Durch geeignete Maßnahmen kann das Prozessrisiko verringert werden. 56 ICC Germany-Magazin Ausgabe 8 m o c . o t o h p k c o t s i – 3 p n _ d e v e t s ©

Internationaler Handel und Recht m o c . o t o h p k c o t s i – k c o t S _ d o o G © Die Informationspflichten und Auskunftsrechte erleich- tern nicht nur potenziellen Klägern die Beweisführung; sie können auch zu einer Spielwiese für weitere prozess- taktische Auseinandersetzungen werden. Beispielsweise ist im Rahmen internationaler Schiedsverfahren damit zu rechnen, dass Parteien Anträgen auf die Vorlage von Unterlagen („document production“) entgegenhalten, dass es ihnen aufgrund der DSGVO rechtlich unmöglich sei, (ungeschwärzte) Dokumente herauszugeben. Massenverfahren Datenschutzverstöße führen häufig zu sogenannten Streuschäden, die sich durch eine Vielzahl gleichartiger Schadensfälle auszeichnen. In jedem Einzelfall, d.h. bei jedem Betroffenen ist die Schadenshöhe jedoch so gering, dass sich eine individuelle Rechtsverfolgung nicht rentiert. Wirtschaftlich rentabel kann die Rechts- verfolgung jedoch sein, wenn sich die Geschädigten zusammentun und Schaden gebündelt geltend machen, z.B. in Form der seit dem 1. November 2018 in Deutsch- land eingeführten Musterfeststellungsklage. Es ist zudem damit zu rechnen, dass die gebündelte Durch- setzung datenschutzrechtlicher Streuschäden künftig weiter kommerzialisiert wird. Schon jetzt gibt es erste professionelle Dienstleister, die Klagen einzelner Betrof- fener bündeln oder nach dem Vorbild von Flightright & Co. ein standardisiertes Verfahren für die Geltend- machung gleichartiger Schäden anbieten. Für den Einzelnen wird das Prozessrisiko durch die Vereinbarung eines Erfolgshonorars oder die Kooperation mit einem Prozessfinanzierer minimiert. Verbandsklage Die DSGVO hat zudem eine eigene, datenschutzrecht- liche Verbandsklage geschaffen. Artikel 80 DSGVO Dr. Matthias Schlingmann ist Partner, Isla Brose und Dr. Jan-Hendrik Seifer sind Associates im Bereich Dispute Reso- lution der Kanzlei CMS Hasche Sigle. 58 sieht vor, dass datenschutzrechtliche Einrichtungen, Organisationen oder Vereinigungen ohne Gewinner- zielungsabsicht subjektive Rechte natürlicher Personen zivilrechtlich geltend machen können, ohne dazu von ihnen beauftragt worden zu sein. Gegenstand der Verbandsklage können Auskunfts-, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche sein. Scha- densersatzansprüche können auf diese Weise zwar nicht geltend gemacht werden. Betroffene können die entsprechenden Einrichtungen, Organisationen oder Vereinigungen aber damit beauftragen, Schadensersatz- ansprüche geltend zu machen. Wettbewerbsrecht Bis dato ungeklärt ist die Frage, ob Unternehmen die Einhaltung der DSGVO gegenüber Wettbewerbern mittels des Wettbewerbsrechts durchsetzen können, ob sie also zum Beispiel Wettbewerber wegen Datenschutz- verstößen abmahnen können. Rechtlich geht es dabei um die Frage, ob die Vorschriften der DSGVO Markt- verhaltensregeln im Sinne des Wettbewerbsrechts sind. Verstöße gegen die DSGVO könnten dann von Wettbe- werbern nicht nur im Wege einer Abmahnung, sondern auch mittels wettbewerbsrechtlicher Auskunfts-, Unter- lassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche durchgesetzt werden. Literatur und Rechtsprechung sind sich über die Einord- nung der Regelungen der DSGVO uneins. Teilweise werden die Regelungen in Kapitel VIII der DSGVO zu Rechtsbehelfen, Haftung und Sanktionen als abschlie- ßend angesehen und eine Sanktionierung von Verstößen gegen die DSGVO mittels des Wettbewerbsrechts ausge- schlossen. Andere halten die Regelungen der DSGVO nicht für abschließend und sind der Auffassung, dass die ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Streitbeilegung Starkes Jahr für den Court Unternehmen schätzen faire ICC-Streitbeilegung Die Einrichtung eines Handelsgerichts gehörte zu den Gründungszielen der ICC. Damit hat die ICC die Schiedsgerichtsbarkeit – wie wir sie heute kennen – quasi erfunden. 100 Jahre später ist die ICC immer noch die beliebteste Institution, wie die aktuellen Jahreszahlen zeigen. Dieser Erfolg überrascht nicht, denn Unternehmen schätzen die Qualität, E zienz und Internationalität der ICC, wenn es um die Beilegung von internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten geht. Fallzahlen Im Juli 2019 wurden die ICC-Statistiken für das Jahr 2018 veröff entlicht. Sie zeigen, dass auch im Jahr 2018 die Zahl der Schiedsverfahren, die bei der ICC neu anhängig gemacht wurden, auf Rekordniveau liegt. Im Folgenden fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse aus den aktuellen ICC-Statistiken zusammen. Auch im Jahr 2018 hat die ICC einen neuen Rekord erreicht: die Anzahl der neuen Schiedsverfahren nach der Schieds- gerichtsordnung der ICC („ICC-Regeln“) ist von 810 im Jahr 2017 auf 842 Verfahren im Jahr 2018 gestiegen. Dieser Anstieg überrascht nicht: Laut einer Umfrage zu internationalen Schiedsverfahren aus dem Jahr 2018 ist die ICC bei Weitem die beliebteste Schieds- organisation – weltweit. Durchgeführt wurde diese Umfrage von der School of International Arbitration der Queen Mary Universität London. Die Teilnehmer dieser globalen Umfrage wurden darum gebeten, ihre fünf beliebtesten Schiedsorganisationen zu nennen: 77 % aller Teilnehmer nannten die ICC. Andere beliebte Schiedsorganisationen sind der London Court of Inter- national Arbitration (51 %), das Singapore International Arbitration Centre (36 %) und das Hong Kong Inter- national Arbitration Centre (27 %). Diese Ergebnisse zeigen, dass die ICC weltweit mit Abstand die erste Wahl für Schiedsverfahren ist. Besonders beliebt ist die ICC in Europa. In fast einem Drittel (31,6 %) der 842 neuen ICC-Verfahren waren Parteien aus Nord- und Westeuropa involviert. Einen großen Anteil davon machten Verfahren aus, in denen deutsche Parteien beteiligt waren: Im Jahr 2018 waren dies insgesamt 95 Verfahren (39 Verfahren mit einer deutschen Partei als Schiedsklägerin und 56 Verfahren mit mindestens einer deutschen Schieds- beklagten). Auch als Schiedsrichter sind Deutsche (hier wie stets: m/w/d) oft vertreten. Bei rund Offi zielle Eröff nung des neuen Case- Management-Büros des ICC-Gerichtshofs im Juni 2019 in Singapur im Rahmen der 100-Jahr-Feier. Alexis Mourre, Präsident des ICC-Schieds- gerichtshofes, auf der „ICC Africa Confe- rence“ anlässlich des 100. Geburtstags in Nigeria im Juni 2019, bei der ein Austausch mit der dortigen Schiedscommunity auf der Agenda stand. 60

Streitbeilegung Allison Torline, Attorney-at-Law (New York) ist Senior Associate der Kanzlei Busse Disputes. Ein besonderer Schwer- punkt ihrer Tätigkeit liegt auf der Vertretung von Staaten und Investoren in völkerrechtlichen Schieds- verfahren im Rahmen von Investitionsschutzab- kommen. Daneben berät sie in internationalen Konfl ikten im Bereich der Handelsschiedsgerichts- barkeit und ist häufi g in Post-M&A-Streitigkeiten tätig. 62 ICC-Schiedsverfahren. So wurden in den letzten Jahren mehrere Berichte und Kommentare von der ICC veröf- fentlicht. Diese Berichte und Kommentare betreff en vielfältige Industrien und schiedsverfahrensbezogene Themen und enthalten sowohl für Schiedsgerichte als auch für Parteien und Parteivertreter hilfreiche Informationen: Die ICC-Kommission Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation hat erst kürzlich einen sehr interes- santen Bericht über die Eilschiedsrichterverfahren (Emergency Arbitrator Proceedings) nach den ICC-Regeln veröff entlicht. Der Bericht analysiert, wann und wie die Vorschriften für Eilschieds- richterverfahren nach den ICC-Regeln seit ihrer Einführung angewandt wurden, und enthält prak- tische Anregungen für Parteien, Parteivertreter und Eilschiedsrichter, um das Verfahren möglichst effi zient zu gestalten (siehe hierzu auch unseren Artikel „Emergency Arbitrator – ICC evaluiert die Erfahrungen mit Eilschiedsverfahren“ im ICC-Ma- gazin, Ausgabe 8/2019, S. 52–55). Des Weiteren hat die Kommission ihre Veröf- fentlichung „Construction Industry Arbitrations: Recommended Tools and Techniques for Eff ective Management“ aktualisiert. Obwohl der Bericht vor allem an Schiedsrichter gerichtet ist, enthält er auch hilfreiche Empfehlungen für Parteien und Parteivertreter. Herkunft der Schiedsparteien nach Region die Verfahrensdauer unter den neuen ICC-Regeln signifikant gesunken: Die Anzahl der verspäteten Schiedssprüche hat sich von 54 % im Jahr 2016 auf 38 % im Jahr 2018 reduziert, und auch im Rahmen der verspätet ergangenen Schiedssprüche zeigte sich eine deutliche Verbesserung: die Verspätung hat sich zumindest verringert. Daran wird deut- lich, dass die Beschleunigungsmaßnahmen der ICC erfolgreich sind. Mit diesen Maßnahmen war der ICC-Gerichtshof Vorreiter. Sie spiegeln einen gene- rellen Trend in der Schiedsgerichtsbarkeit wider. So zielen beispielsweise auch die neuen Regeln der Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit („DIS“), die im Jahr 2018 in Kraft getreten sind, mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen auf eine Effizi- enzsteigerung ab (Verkürzung von Fristen, straffere Verfahrensleitung, umfassende Verfahrenskonfe- renz und einiges mehr). Mehr Transparenz Die ICC hat in den letzten Jahren zudem verschie- dene Maßnahmen ergriff en, um die Transparenz der Schiedsverfahren zu erhöhen. Die ICC hat dabei besonderes Augenmerk darauf gerichtet, gleichzeitig die Erwartungen der Parteien hinsichtlich der Vertrau- lichkeit nicht zu beeinträchtigen. Soweit nichts anderes zwischen den Parteien vereinbart ist, veröff entlicht der ICC-Gerichtshof für alle ab dem 1. Januar 2016 eingelei- teten ICC-Schiedsverfahren bestimmte Informationen über die Verfahren auf seiner Website (siehe https:// iccwbo.org/dispute-resolution-services/arbitration/ icc-arbitral-tribunals/). Die Veröff entlichung umfasst die Namen der Schiedsrichter, ihre Staatsangehörig- keit, ihre Rolle im Schiedsgericht, die Methode ihrer Ernennung und die Information, ob das Schiedsver- fahren noch anhängig ist oder beendet wurde. Für seit dem 1. Juli 2019 eingeleitete Verfahren werden zudem der betroff ene Wirtschaftszweig sowie die Namen der Parteivertreter auf der Website veröff entlicht. Ein weiterer Schritt zur Erhöhung der Transparenz betriff t die Beteiligung unabhängiger Dritter: Gemäß Artikel 25(3) der ICC-Regeln können Schiedsgerichte nach Anhörung der Parteien Maßnahmen ergreifen, um mündliche oder schriftliche Stellungnahmen von amici curiae und nicht streitenden Parteien zu ermöglichen. Unterstützung durch Veröff entlichungen Einen wesentlichen Beitrag zur Beliebtheit der ICC leisten auch die hilfreichen Veröff entlichungen. Hierdurch bietet die ICC den Verfahrensbeteiligten praktische Hilfsmittel für die Durchführung von ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Streitbeilegung Modernes Case Management Schiedsverfahren zwischen Flexibilität, Ezienz und Nebenstreitigkeiten Schiedsverfahren können insbesondere durch ihre Flexibilität zu einer ezienten Streitbeilegung führen. Jedoch kann diese Freiheit auch lästige prozessuale Nebenstreitigkeiten mit sich bringen oder sogar missbraucht werden. Dem kann und muss ein modernes Case Management entgegen- treten. Hier ist in den letzten Jahren viel passiert. Ein Überblick. . m o c o t o h p k c o t s i – s o k l i M © Die Qual der Wahl Schiedsverfahren zeichnen sich besonders durch ihre prozessuale Flexibilität aus. Zwar bestimmen die institutionellen Schiedsordnungen die Grundzüge des Verfahrens, der Großteil des Prozesses steht allerdings zur Disposition der Parteien. Das gibt den Parteien und dem Schiedsgericht die Möglichkeit, den Ablauf des Verfahrens zu gestalten und an die individuellen Bedürfnisse des Falles anzupassen. Aufgrund der Flexibilität des Verfahrens liegt es aber auch in den Händen der Parteien, der administrie- renden Institutionen und vor allem des Schiedsgerichts selbst, durch gutes Case Management die Effizienz von Verfahren zu erhöhen. Hier wurden in jüngerer Vergan- genheit verschiedene Vorgehensweisen und Leitfäden entwickelt, um kostengünstige und zeitnahe Streitent- scheidungen sicherzustellen. Mehr Regelungen = mehr Ezienz? Dieser große Vorteil der Schiedsgerichtsbarkeit birgt zeitgleich die Gefahr, dass Schiedsverfahren in ewig lange Prozesse ausufern. Zwar will jede zu treffende Entscheidung gut überlegt sein, dies kann gleichzeitig aber auch zu langwierigen Streitigkeiten allein über das prozessuale Vorgehen führen. Die Folgen sind hohe Kosten, späte Entscheidungen und frustrierte Parteien und Schiedsrichter. Um auf die Problematik ausufernder Schiedsverfahren zu reagieren, veröffentlichten mehrere Institutionen Richtlinien, die das Case Management eines Verfah- rens organisieren und damit erleichtern sollen. Die ICC publizierte in den letzten Jahren die Model of ICC Terms of Reference for Case Management, den Leit- faden Effective Management of Arbitration – A Guide for In-House Counsel and Other Party Representatives, 64 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Streitbeilegung 1. Januar 2019 MERKBLATT FÜR DIE PARTEIEN UND DAS SCHIEDSGERICHT ÜBER DIE DURCHFÜHRUNG DES SCHIEDSVERFAHRENS NACH DER ICC-SCHIEDSGERICHTSORDNUNG Inhaltsverzeichnis I - II - A - B - A - B - C - D - A - B - C - D - A - B - C - D - E - ALLGEMEINE INFORMATIONEN................................................................................................................................................. 3 DER INTERNATIONALE SCHIEDSGERICHTSHOF DER ICC UND SEIN SEKRETARIAT ......................................................................... 3 MITTEILUNGEN........................................................................................................................................................................ 3 PARTEIEN .................................................................................................................................................................................... 4 EINREICHEN VON SCHIEDSKLAGEN........................................................................................................................................... 4 VERTRETUNG ......................................................................................................................................................................... 4 EINBEZIEHUNG ZUSÄTZLICHER PARTEIEN.................................................................................................................................. 4 MITTEILUNG DER GRÜNDE FÜR ENTSCHEIDUNGEN DES GERICHTSHOFS...................................................................................... 4 III - SCHIEDSGERICHT....................................................................................................................................................................... 5 ANNAHME-, VERFÜGBARKEITS-, UNPARTEILICHKEITS- UND UNABHÄNGIGKEITSERKLÄRUNG .......................................................... 5 UNTERSTÜTZUNG DURCH DAS SEKRETARIAT BEI DER NOMINIERUNG ODER ERNENNUNG VON SCHIEDSRICHTERN........................... 7 VERÖFFENTLICHUNG VON INFORMATIONEN ÜBER SCHIEDSGERICHTE.......................................................................................... 7 VERÖFFENTLICHUNG VON SCHIEDSSPRÜCHEN.......................................................................................................................... 8 IV - VERHALTEN DER TEILNEHMER IN SCHIEDSVERFAHREN...................................................................................................... 9 EILSCHIEDSRICHTER.................................................................................................................................................................. 9 V - VI - ABLAUF DES SCHIEDSVERFAHRENS.....................................................................................................................................11 KOSTENVORSCHUSS .............................................................................................................................................................11 BESCHLEUNIGTE UND EFFIZIENTE DURCHFÜHRUNG DES SCHIEDSVERFAHRENS ........................................................................12 BESCHLEUNIGTE FESTSTELLUNG OFFENSICHTLICH UNBEGRÜNDETER ANSPRÜCHE ODER EINWENDUNGEN..................................13 SCHUTZ PERSONENBEZOGENER DATEN..................................................................................................................................13 FRISTEN GEMÄß DER SCHIEDSGERICHTSORDNUNG..................................................................................................................15 VII - BESTIMMUNGEN ZUM BESCHLEUNIGTEN VERFAHREN ......................................................................................................16 GELTUNGSBEREICH DER BESTIMMUNGEN ZUM BESCHLEUNIGTEN VERFAHREN ..........................................................................16 A - B - ERMITTLUNG DES STREITWERTS ZUR FESTSTELLUNG DER ANWENDBARKEIT DER BESTIMMUNGEN ZUM BESCHLEUNIGTEN VERFAHREN .......................................................................................................................................................................................16 KOSTENTABELLEN................................................................................................................................................................. 17 C - INFORMIERUNG DER PARTEIEN...............................................................................................................................................17 D - BILDUNG DES SCHIEDSGERICHTS ...........................................................................................................................................18 E - VERFAHREN VOR DEM SCHIEDSGERICHT................................................................................................................................. 18 F - SCHIEDSSPRUCH ..................................................................................................................................................................18 G - VIII - EFFIZIENZ BEI DER ÜBERMITTLUNG DES ENTWURFS DES SCHIEDSSPRUCHS AN DEN GERICHTSHOF ......................19 ALLGEMEINE PRAXIS .............................................................................................................................................................19 PRAXIS IM RAHMEN DER BESTIMMUNGEN ZUM BESCHLEUNIGTEN VERFAHREN...........................................................................20 IX - VERFAHRENSSCHLIEßUNG UND PRÜFUNG DER SCHIEDSSPRÜCHE ................................................................................20 VERFAHRENSSCHLIEßUNG .....................................................................................................................................................20 PRÜFUNGSVERFAHREN .........................................................................................................................................................21 INFORMIERUNG DER PARTEIEN...............................................................................................................................................21 ZEITPUNKT DER PRÜFUNG .....................................................................................................................................................21 X - CHECKLISTE FÜR SCHIEDSSPRÜCHE DER ICC ....................................................................................................................22 XI - VERTRAGSBASIERTE SCHIEDSVERFAHREN......................................................................................................................... 22 XII - VORBRINGEN VON AMICI CURIAE UND NICHT STREITENDEN PARTEIEN..........................................................................22 XIII - HONORARE DES SCHIEDSGERICHTS UND VERWALTUNGSKOSTEN .................................................................................23 A - B - C - D - A - B - teilweise Vervielfältigung dieser Veröffentlichung durch jegliches Verfahren ohne die vorherige schriftliche Genehmigung der ICC ist verboten. © Internationale Handelskammer (ICC). Alle Rechte vorbehalten. Jede Übersetzung oder vollständige oder Am 1. Januar 2019 hat der Internationale Schiedsgerichtshof der ICC die “Note to Parties and Arbitral Tribunals on the Con- duct of Arbitration under the ICC Rules of Arbitration” veröff entlicht mit Über- setzungen u.a. auf Deutsch, Französisch, Spanisch und Chinesisch. Sie gibt Parteien und dem Schiedsgericht eine praktische Anleitung zur Durchführung von Schieds- verfahren nach der ICC-Schiedsgerichts- ordnung und erläutert Verfahrensweisen des ICC-Courts. des Verfahrens ergeben, antizipieren. Eine bessere Chance auf eine Einigung über feste Regeln und Fristen besteht aber fraglos zu Beginn eines Verfahrens. Eine frühe und detaillierte Einigung über den Verfahrens- kalender und die prozessuale Vorgehensweise ermögli- chen eine bessere Vorhersehbarkeit und Planbarkeit des Verfahrens. So empfi ehlt auch die ICC in ihrem Commis- sion Report zum Management von Zeit und Kosten, dass der Zeitplan möglichst für das komplette Verfahren bestimmt werden sollte. Dabei sollte der Verfahrens- kalender aber realistisch bleiben, um Verzögerungen zu vermeiden. Die spätere Anpassung sollte nur aus gewichtigen sachlichen Gründen erfolgen. Mögliche Beschleunigungstechniken Schiedsverfahren können durch verschiedene Gestal- tungen an den individuellen Fall angepasst werden. Hierzu zählen u.a. die Aufteilung des Verfahrens in verschiedene Phasen (sog. bifurcation), die Begren- zung von Schriftsätzen und mündlichen Verhand- lungen sowie der Ausschluss bzw. die Begrenzung einer Dokumentenherausgabe. Die ICC SchO erlaubt es, Teil-, Zwischen- und Endent- scheidungen zu erlassen. Das Schiedsgericht kann insofern das Verfahren aufteilen oder einen Teil- schiedsspruch erlassen, um eine effi zientere Lösung der Streitigkeit und möglicherweise eine einver- nehmliche Beilegung herbeizuführen. Die Aufteilung des Verfahrens in einzelne Fragen oder Phasen (z.B. Zuständigkeit, Vorfragen wie die Verjährung, Haftung dem Grunde nach oder die Schadenshöhe) bedeutet nicht unbedingt, dass sie jeweils durch einen Schiedsspruch abgeschlossen werden müssen. Ergeht ein Teil-, Zwischen- oder Vorentscheid ist zu bedenken, dass dieser durch den Schiedsgerichtshof überprüft wird (scrutiny) und separat angefochten werden kann, wodurch Verzögerungen entstehen können. Kann indes der Streit auf eine Vorfrage begrenzt werden, sodass sämtliche Folgefragen obsolet werden, glückt eine Begrenzung des Verfahrens auf das mögliche Minimum. In internationalen Schiedsverfahren sind lange Schrift- sätze und Zeugenvernehmungen üblich, die nicht auf die für den Ausgang des Falles entscheidende Punkte beschränkt sind. Die Beweisaufnahme kann insofern Tatsachen zum Gegenstand haben, die unstrittig sind und letztlich eine Überbetonung des rechtlichen Gehörs darstellen. Die daraus resultierenden Verzögerungen können durch eine Begrenzung der Anzahl der Schrift- sätze oder deren Umfang ebenso wie etwaiger Zeugen- aussagen und möglicher Sachverständigengutachten vermieden werden, wie sie Appendix VI der ICC SchO als Verfahrenstechnik vorschlägt und wie sie dem deut- schen Juristen die Relationstechnik nahelegt. Gleich- wohl ist hiervon mit Bedacht Gebrauch zu machen, denn letztendlich führt diese zu einer Einschränkung des Parteivortrags, die sogar eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellen kann. Dieses Risiko kann minimiert werden, wenn sich die Parteien hierauf einigen und nicht das Schiedsgericht einseitig eine solche Begrenzung bestimmt. Soweit dies zu einer Fokussierung auf die wesentlichen Themen führt, kann hierdurch auch der Aufwand für die Verfahrens- bevollmächtigten und die damit verbundenen Kosten begrenzt werden. Die Herausgabe von Dokumenten kann zur Kon- trolle von Zeit und Kosten oder wenn der kulturelle Hintergrund der Parteien dies nahelegt, vollständig vermieden werden. Hierauf können sich die Parteien 66 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

Aus den ICC-Kommissionen Vertrauen ist der Anfang Neue ICC Charta zu Zoll und Handelserleichterungen Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Zoll und Wirtschaft ist eine wesentliche Grundlage für eziente Prozesse an der Grenze. In der ICC Charta für Zoll und Handelserleichterung wurden die Erwartungen an das Verhalten beider Seiten erstmals zusammengefasst. m o c . o t o h p k c o t s i – s r u c r A _ i r u Y © fehlerhafte Unterfakturierung, Informationen und Vertuschung von Fehlern auf der einen Seite, über- raschende und häufig wechselnde Handhabung von Vorgaben, langwierige und kleinteilige Kontrollen, nicht an die Prozesse der Wirtschaft angepasst auf der anderen Seite: Die Liste der gegenseitigen Klagen ist weltweit lang. Dabei sind es zwei Seiten derselben Medaille: Bei klaren und beherrschbaren Vorgaben können sich Unternehmen effizient auf Zollprozesse einstellen und die relevanten Informationen liefern, durch vereinfachte Verfahren und vertrauensvolle Zusammenarbeit kann sich der Zoll auf das schwieri- gere Klientel konzentrieren. Dieses Versprechen, dem auch der Gedanke des Zugelassenen Wirtschaftsbetei- ligten (AEO, authorised economic operator) zugrunde liegt, muss häufig in der täglichen Praxis noch umge- setzt werden. Eine Vorlage liefert das Abkommen über Handelserleichterungen der WTO, das Trade Facilita- tion Agreement (TFA), in dem erstmals Rahmenbe- dingungen der Zollabfertigung und Erwartungen an die Zollverwaltungen zusammengefasst worden sind. Aber auch an die Wirtschaft gibt es Erwartungen. Das war der Grund, warum die ICC Charta zu Zoll- und Handelserleichterungen von einer Arbeitsgruppe im gleichnamigen ICC-Ausschuss erarbeitet und im März 2019 verabschiedet worden ist. Leitprinzipien für Unternehmen und Zoll Idealerweise orientiert sich das Verhalten von Unter- nehmen am Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“ das von den Industrie- und Handelskammern propagiert und gefördert wird. In der ICC Charta werden die einzelnen Aspekte von Verhaltensweisen für Unternehmen und Zoll benannt, diese sind Fairness, Nicht-Diskriminie- rung, Gesetzestreue, Vorhersehbarkeit der Gesetzes- anwendung, tragbare Bürokratielasten, Vertraulichkeit von Informationen, Effizienz, Vertretungsmöglichkeit. Die Ausprägungen für beide Seiten sind naturgemäß unterschiedlich. Am Beispiel der tragbaren Bürokra- tielasten (reasonable compliance burden) sieht das folgendermaßen aus: ICC Germany-Magazin Ausgabe 9 Marc Bauer ist Referatsleiter für Internationalen Warenverkehr bei der IHK Region Stuttgart. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Handelserleichterung und Bürokratieabbau und ist Mitglied der ICC-Kom- mission für Zoll und Handelserleichterungen. 68

Aus den ICC-Kommissionen Wert des IP-Portfolios ICC-Report zur Bewertung und Monetarisierung von Schutzrechten Innovationen und die entsprechenden gewerblichen Schutzrechte (IP) tragen bei Unternehmen ganz wesentlich zum Wert bei. Dies wird in besonderer Weise bei Unternehmenskäufen und Firmenzusammenschlüssen (M&A) sichtbar, bei denen das IP einer der wichtigsten Transaktions- treiber ist. Doch nicht nur große Unternehmen müssen den Wert ihrer IP-Portfolios bewerten und verstehen. In vielen Fällen ist es auch für kleine Unternehmen, den Mittelstand, Start-ups oder sogar Universitäten wichtig, den Wert ihres geistigen Eigentums einschätzen zu können. Daher hat die ICC IP-Kommission das „ICC Handbook on IP Valuation“ (ICC Handbuch) veröffentlicht. Sie bringt damit das Thema IP-Bewertung einem breiteren Publikum näher. m o c . o t o h p k c o t s i – m a r k a r u s i a h c t a h c © Der Wert – das Wort, das verbindet IP-Vermögenswerte werden heute im Allgemeinen als wertvoll verstanden. Sie spielen bei den strategischen Geschäftsentscheidungen eine entscheidende Rolle. Daher hat die Bewertung von IP-Vermögenswerten in den letzten Jahren an Bedeutung hinzugewonnen. Aktuell dient sie nicht nur externen Zwecken im Rahmen verschiedener Transaktionen, sondern ist auch zu einem unverzichtbaren Bestandteil interner Entscheidungsprozesse geworden. IP-Rechte existieren in unterschiedlicher Form. Sie sind für die verschiedensten Bereiche der Wertschöp- fungskette des Unternehmens – wie zum Beispiel Forschung und Entwicklung, Recht, IP, Buchhaltung, Vertrieb, Marketing oder Steuern – und die unter- schiedlichen Akteuren relevant. Jeder der Akteure versteht die Schutzrechte in ihrem eigenen Kontext mit jeweils unterschiedlicher Konnotation. Alle Beteiligten innerhalb oder außerhalb eines Unternehmens vereint ein Wort „der Wert.“ Das ICC-Handbuch soll allen Interessengruppen eine Orientierungshilfe bieten, die Grundsätze und Methoden zur Ableitung eines Wertes des jeweiligen IP-Rechtes zu verstehen. Zuerst klären: Bewertungszweck und Adressaten Der wichtigste Parameter in jedem Bewertungspro- zess ist es, den Zweck der Bewertung zu verstehen. Dies gilt auch für die Bewertung von IP-Vermögens- werten. Derjenige, der die IP-Bewertung durchführt, muss den Bewertungszweck kennen. Das ICC-Hand- buch gibt einen Überblick, in welchen Kontexten – und mit welcher Zielsetzung – Unternehmen die monetären Werte ihrer IP-Vermögenswerte ermit- teln. Daneben ist es entscheidend, an wen sich der Bewertungsbericht richtet. Geht er an interne Adressaten wie z.B. einen Lizenzmanager für eine Vertragsverhandlung oder an externe Adressaten? Ohne eine klare Definition des Bewertungszwecks und der Zielgruppe kann keine detaillierte IP-Bewer- tung durchgeführt werden. ICC Germany-Magazin Ausgabe 9 Dominika Boehm, MBA arbeitet aktuell im Bereich Strategie und Geschäftsentwicklung, Siemens LLC, Vereinigte Arabische Emirate. Zuvor war Boehm als Senior IP Counsel bei der Siemens AG für die monetäre Bewertung von geistigem und gewerblichem Eigentum verantwortlich. Sie war Vorsitzende der internationalen ICC Task Force zu IP Valuation. 70

ICC Germany Dr. Angela Dube leitet im DIHK das Referat Außenwirt- schaftsrecht und Handelserleichterungen. Sie vertritt den DIHK u.a. in der ICC-Kommission zu Zoll und Handelser- leichterungen und den WCF-Fachgremien. 72 Globales Forum für Kammern 11. World Chambers Congress in Rio Die internationale Kammerwelt trifft sich alle zwei Jahre, um innovative Kammerprojekte zu küren und sich zu relevanten Themen auszutauschen. Vom 12. bis 14. Juni 2019 kamen über 1.000 Kammer- und Wirtschaftsführer aus mehr als 100 Ländern zum 11. World Chambers Congress nach Rio de Janeiro, Brasilien. Der nächste Kongress wird vom 23. bis 25. Februar 2021 in Dubai stattfinden. Bitte jetzt schon vormerken. Kammern feiern Innovationen mit dem Weltkammerwettbewerb 2019 Schulterschluss mit der WTO zur Unterstützung kleiner und mittelständischer Unternehmen international bunt Für ihren weltweiten Erfolg benötigen deutsche Unter- nehmen eine maßgeschneiderte Unterstützung in Deutschland und rund um den Globus. Dies gilt umso mehr, als die Herausforderungen für die Exportwirt- schaft aufgrund von politischen und wirtschaftlichen Krisen deutlich zunehmen. Um diese Unterstützung auf höchstem Niveau gewährleisten zu können, müssen sich Kammern weltweit abstimmen und vernetzen. Während die Kammerwelt ist, sind viele Herausforderungen für die Unternehmen vergleichbar. Es ist deshalb sehr wichtig, international den Schulterschluss zu suchen über die World Chambers Federation (WCF), die globale Kammerorganisation der ICC. Sie bietet über ihre Gremien und alle zwei Jahre mit dem World Chambers Congress eine globale Plattform zum Austausch über erfolgreiche Konzepte und inno- vative Serviceleistungen für die Unternehmen – wie z.B. Beratungsangebote, Ursprungszeugnisse und das Carnet ATA. Im Rahmen des Weltkammerwettbewerbs 2019 wurden besondere Kammerprojekte ausge- zeichnet und drei Kammern zu Innovations-Champions gekürt. Dr. Volker Treier, Außenwirtschaftschef und Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), vertritt die deutschen Industrie- und Handelskammern (IHKs) im General Council der WCF. Er war beim 11. World Chambers Congress in Rio als Redner, Jury-Mitglied und Moderator dabei. Neben den Pitches für den Weltkammerwettbewerb wurden zudem für die Unternehmen wichtige Themen wie Digitalisierung, Bildung und Qualifizierung behan- delt. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf möglichen neuen Initiativen mit der Welthandelsorganisation (WTO) und dem International Trade Center (ITC) zur Unterstüt- zung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) beim Marktzugang weltweit. Häufig fehlen diesen aufgrund ihrer geringen Größe Ressourcen sowie Zugang zu wichtigen handelsbezogenen Infor- mationen für den Eintritt in neue Märkte. Das ITC stellte den Global Trade Helpdesk vor, eine Marktfor- schungsplattform, die Handels- und Wirtschaftsin- formationen direkt an KMU liefert. Der Global Trade Helpdesk bündelt bestehende Ressourcen von ITC, der Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD) und der WTO zu einer umfassenden und zugänglichen Online-Plattform. Aus Deutschland präsentierte Dr. Volker Treier die DIHK-Initiative „Think small first“ bei der WTO und berichtete von der erfolgreichen Koope- ration des Netzwerkes der Auslandshandelskammern (AHKs) mit anderen europäischen Kammern. Weitere Informationen zur DIHK-Ini- tiative „Think small first“ bei der WTO unter www.dihk.de ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

ICC Germany Veranstaltungen ICC Germany bietet zahlreiche Veranstaltungen und Seminare rund um den globalen Handel und zu ICC-Regelwerken und Richtlinien an. Mitgliedern von ICC sind die Herbst- und Frühjahrstagung sowie die Kommissionssitzungen vorbehalten. 2. Halbjahr 2019 Deutschlandweit Seminare zu den Incoterms 2020 (www.incoterms2020.de) 1.10.2019 Hamburg ICC Germany Zukunftsforum Welthandel (auf Einladung) 25.-28.11.2019 Berlin Internet Governance Forum 2019 ICC BASIS Empfang und verschiedene Workshops 28./29.11.2019 München Herbsttagung 2019 ICC Germany (auf Einladung) 19.02.2020 Paris Besuch der deutschen Schiedscommunity beim ICC-Schiedsgerichtshof 28.05.2020 Berlin Frühjahrstagung 2020 (für Mitglieder) Juni 2020 München International Tax Conference von ICC/BIAC/Business Europe Weitere Informationen zu allen Veranstaltungen www.iccgermany.de beziehungsweise www.incoterms2020.de Auf der Frühjahrstagung 2019 in Frankfurt, von links: Vizepräsident Dr. Robert Gutsche, IFA-Gruppe, Schatzmeister Dr. Marcus Chromik, Commerzbank, Präsident Dr. Werner Brandt sowie rechts Generalsekretär Oliver Wieck begrüßen John Denton, Generalsekretär der globalen Organisation. ICC-Veranstaltungen international 9.10.2019 Stockholm ICC-Kommission Marketing und Werbung 18.10.2019 7.11.2019 22.11.2019 20.11.2019 31.03.2020 Genf Paris Paris Paris Paris ICC-Kommission für Steuerpolitik ICC-Kommission für gewerblichen Rechtsschutz ICC-Kommission Wettbewerb ICC-Kommission für Handels- und Investitionspolitik ICC-Kommission Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation 20.-23.04.2020 Dubai ICC-Kommission für Banktechnik und Praxis 74 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

MITGLIED WERDEN & INTERNATIONALEN HANDEL MITGESTALTEN Die Internationale Handelskammer (ICC) setzt sich für einen inklusiven und nachhaltigen Welthandel ein. Werden Sie Teil unseres Netzwerks und nutzen Sie unsere Mitgliedervorteile: – Mitgestaltung internationaler Regeln und Standards für Handel und Streitbeilegung - Unterstützung bei der Verhandlung und Anwendung internationaler Verträge - Einsatz für nachhaltige und klimafreundliche Geschäftsmodelle - Vorzugspreise für Seminare zu ICC-Regeln und Richtlinien wie Incoterms® 2020 - Kostenfreie Teilnahme an Events und Fachveranstaltungen Wir bieten Ihnen 10% Beitragsrabatt im ersten Jahr. Mehr erfahren: icc@iccgermany.de Und folgen Sie uns

ICC Germany Ansprechpartner Banking Oliver Wieck · Generalsekretär Fon: +49 (0) 30 - 200 7363 12 · oliver.wieck @ iccgermany.de • • Digitale Wirtschaft • Handels- und Investitionspolitik • Schiedsgerichtsbarkeit und ADR Sandra Krähe Fon: +49 (0) 30 - 200 7363 11 · sandra.kraehe@iccgermany.de • Assistentin des Generalsekretärs Dr. Katrin Rupprecht Fon: +49 (0) 30 - 200 7363 20 · katrin.rupprecht @ iccgermany.de • Leitung Kommunikation/Redaktionsleitung ICC Germany-Magazin • Gewerblicher Rechtsschutz • Marketing und Werbung Jacqueline Albers Fon: +49 (0) 30 - 200 7363 40 · jacqueline.albers @ iccgermany.de • Umwelt und Energie • Corporate Responsibility & Anti-Korruption • Wettbewerbsrecht und -praxis Mareike Günther Fon: +49 (0) 30 - 200 7363 15 · mareike.guenther@iccgermany.de • Banking • Digitale Wirtschaft • Handels- und Investitionspolitik • Schiedsgerichtsbarkeit und ADR Agata Balandynowicz Fon: +49 (0) 30 - 200 7363 16 · agata.balandynowicz@iccgermany.de • Zölle und Handelserleichterung • Handelsrecht und -praxis • Steuer Henriette Hartmann Fon: +49 (0) 30 - 200 7363 60 · manuela.schulze@iccgermany.de • Marketing • • Seminare Incoterms® 2020 Samiullah Rajab-Ali Fon: +49 (0) 30 - 200 7363 10 · Samiullah.RajabAli@iccgermany.de • Teamassistenz b i a t S e c i r t a e B / y n a m r e G C C I © 78 ICC Germany-Magazin Ausgabe 9

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