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Stefan Schnell

leitet seit 2015 das Corporate Controlling der BASF, das im Oktober 2019 zusammen mit der Gruppenberichterstattung in die Einheit Group Reporting & Performance Management überführt wurde. Diese Einheit verantwortet den integrierten Geschäftsbericht der BASF-Gruppe, koordiniert die Sustainable-Finance-Aktivitäten innerhalb der BASF und setzt Nachhaltigkeitsprojekte in der Gruppe Sustainability Reporting, Analytics & Performance Management um.

Vor dem Hintergrund veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen wurden Unternehmen spätestens seit den 1970er Jahren nicht mehr allein nach ihrer wirtschaftlichen Leistung beurteilt. Den daraus resultierenden Anforderungen ihrer „Stakeholder“ an Informationen aus den Bereichen Soziales sowie Umwelt entsprach BASF durch neue Berichtsformate. Von 1973 bis 1999 informierte BASF in ihrem „Sozialbericht“ vor allem über mitarbeiterbezogene Themen. 1989 veröffentlichte BASF ihren ersten Umweltbericht (für das Berichtsjahr 1988) und begann damit als eines der weltweit ersten Unternehmen, ihre Umweltbemühungen transparent darzustellen. 2001 machte BASF ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung komplett: Sie legte erstmals ihren Bericht „Gesellschaftliche Verantwortung“ (für das Berichtsjahr 2000) vor und ergänzte damit den Jahresbericht/Finanzbericht und den Bericht Umwelt, Sicherheit, Gesundheit. BASF betrieb damit als eines der ersten Unternehmen eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsberichtserstattung, indem sie umfassend über ihre drei Dimensionen informierte: Ökonomie, Ökologie und Soziales. 2004 beschritt BASF neue Wege in der Nachhaltigkeitsberichterstattung, die sie seitdem in nur einer Publikation zusammenfasste. Das neue Format mit dem Titel „Unternehmensbericht“ ersetzte erstmalig für das Berichtsjahr 2003 die bisherigen drei Einzelberichte (Jahresbericht, Bericht Umwelt, Sicherheit, Gesundheit und Bericht Gesellschaftliche Verantwortung). Nur der Finanzbericht wurde weiterhin separat publiziert. Mit ihrem Bericht 2007 setzte BASF als erstes Dax-Unternehmen den Startpunkt für eine vollständig integrierte Darstellung ihrer Geschäftstätigkeit. Das neue Format vereinte die bisher noch getrennte Finanz- und Nachhaltigkeitsberichtserstattung in sich. Was sind die Erfahrungen der BASF aus der langen Historie der Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Schlüsse für die ESG Berichterstattung?

Materialitätsanalyse als Ausgangspunkt der ESG Berichterstattung

Der klassische Finanzbericht enthält sämtliche Informationen, die wesentlich sind, um die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens einschätzen zu können. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung wird das Prinzip der „doppelten Wesentlichkeit“ angewendet und dieses Prinzip durch den im April 2021 veröffentlichten Entwurf der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU präzisiert: Unternehmen sind demnach dazu verpflichtet, „sowohl darüber zu berichten, wie sich Nachhaltigkeitsaspekte auf ihr Geschäftsergebnis, ihre Lage und ihren Geschäftsverlauf auswirken („Outside-in-Perspektive“), als auch darüber, welche Auswirkungen diese Aspekte auf Mensch und Umwelt haben („Inside-out-Perspektive“)“. Unternehmen sollen die Informationen bereitstellen, „die notwendig sind, um zu verstehen, wie sich Nachhaltigkeitsaspekte auf sie auswirken, und Informationen, die notwendig sind, um zu verstehen, welche Auswirkungen sie auf Mensch und Umwelt haben.“ Insofern stellt die Wesentlichkeitsanalyse die Basis für das weitere Vorgehen der Nachhaltigkeitsberichterstattung dar. Am Beginn der Wesentlichkeitsanalyse steht die Definition der Stakeholder eines Unternehmens und ihres Einflusses auf das Unternehmen, entweder durch formale regulatorische Anforderungen oder durch Erwartungshaltungen. In Zusammenarbeit mit Stakeholdern werden die wesentlichen, für das Unternehmen relevanten Nachhaltigkeitsaspekte ermittelt, beispielsweise durch Workshops, Interviews, usw. Häufig werden die Ergebnisse dieser Nachhaltigkeitsanalyse in einer „Wesentlichkeitsmatrix“ erfasst und auch im Rahmen der externen Berichterstattung dargestellt und erläutert. Externe Berater können bei der Erstellung dieser Wesentlichkeitsanalyse Hilfestellung leisten (siehe auch Abbildung 1).

Definition einer effektiven und effizienten Aufbau- und Ablauforganisation

Die langjährige Erfahrung der BASF in der Nachhaltigkeitsberichterstattung geht einher mit entsprechender Verankerung fachlicher Expertise in allen relevanten Teilen der Organisation. Die Kehrseite der Medaille ist, dass Prozesse, Systeme und auch organisatorische Ansätze „historisch gewachsen“ und in Teilen personengebunden sind. Daher bietet der Aufbau einer Nachhaltigkeitsberichterstattung auch die Chance, die gleichzeitig als Ansporn oder Verpflichtung gesehen werden sollte, eine robuste und skalierbare Aufbau- und Ablauforganisation zu etablieren. Hierbei ist zu beachten, dass Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgrund ihrer Breite vermutlich in den meisten Unternehmen immer eine cross-funktionale Aktivität darstellen wird. Umso wichtiger ist es, klare Verantwortlichkeiten für die „Governance“ und die Vorgaben der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu etablieren sowie sicherzustellen, dass diese Vorgaben qualitäts- und kontrollgesichert umgesetzt werden.  So kann eine entsprechend zuverlässige Berichterstattung in Anlehnung an robuste Finanzberichterstattungsprozesse gewährleistet werden. Eine zentrale Herausforderung der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist, dass auch die IT-Systeme zur Erhebung globaler und robuster ESG-Daten oftmals historisch gewachsen sind. Nicht selten werden Nachhaltigkeitsdaten mit selbst kreierten Datenbanken erhoben, denen die Anbindung an bestehende IT-Systeme fehlt. Da die Datenerhebung aufgrund der Bandbreite der Nachhaltigkeitsthemen – von eher qualitativen KPIs zu Menschenrechtsaspekten bis hin zu detaillierten Taxonomieanforderungen zu klimabezogenen Themen – überaus heterogen ist, bietet sich hier ein Betätigungsfeld für IT-Provider, entsprechende Lösungen zu erarbeiten. Es kann durchaus eine Übergangslösung sein, Datenbanksysteme durch einfache, aber qualitätsgesicherte Workflows mit Daten zu versorgen und eine weitere Systemintegration erst dann anzustreben, wenn entsprechende Lösungen stärker etabliert und weiter verbreitet sind.

Einbindung der Abschlussprüfer

Gemäß dem Entwurf der CSRD ist geplant, dass „alle Unternehmen, die in den Anwendungsbereich fallen, […] dazu verpflichtet werden [sollten], begrenzte Prüfungssicherheit für die bereitgestellten Nachhaltigkeitsinformationen einzuholen“. Es ist anzunehmen, dass diese Prüfungsanforderungen sich über die Zeit zu einer hinreichenden Prüfungssicherheit entwickeln werden. Der CSRD-Entwurf erlaubt es zudem den Mitgliedstaaten, Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung durch eine Prüfungsgesellschaft geprüft werden kann, welche nicht der Abschlussprüfer des Jahresabschlusses des Unternehmens ist. BASF lässt seit Jahren die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Lagebericht des Geschäftsberichts mit begrenzter Prüfungssicherheit vom Abschlussprüfer prüfen, seit dem Geschäftsjahr 2020 zwei Nachhaltigkeitskennzahlen auch mit hinreichender Prüfungssicherheit. Die konstruktiv-kritische Zusammenarbeit zwischen BASF und Abschlussprüfer hat hierbei dazu beigetragen, die Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung kontinuierlich zu erhöhen, aber auch zugrunde liegende Prozesse effizienter und effektiver zu gestalten. In diesem Sinne pflegt BASF auch bei sich neu entwickelnden Berichterstattungsanforderungen, z.B. denen der EU-Taxonomie, einen kontinuierlichen Austausch mit dem Abschlussprüfer, von dem beide Seiten profitieren.

Fazit für ESG-Berichterstattung

Letztlich zeigt die Erfahrung der BASF mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung, dass es sich hierbei um ein sich sehr dynamisch entwickelndes Themengebiet handelt. Daher ist es absolut notwendig, organisatorisch flexibel und agil aufgestellt zu sein, damit sich ändernde oder zusätzliche Anforderungen effizient und effektiv umgesetzt werden können. Unternehmen müssen kontinuierlich fachlich auf der Höhe des Geschehens bleiben und sich mit den neuen Anforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung und der ESG Berichterstattung auseinandersetzen, nicht zuletzt um hieraus eventuell ergebende Chancen für das Geschäftsmodell des Unternehmens zu erkennen und zu ergreifen.

Bildnachweis: instamatics/iStock