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Mit dem neuen „ICC Handbuch zu Transportfragen und Incoterms® 2020“ bietet die ICC mehr Klarheit und praktische Unterstützung für Käufer und Verkäufer sowie Unternehmen und Unternehmer aus der Transportwirtschaft, die mit der Abwicklung von internationalen Kaufgeschäften und des damit verbundenen Transports in Berührung kommen. Das Handbuch klärt Fragen, die sich in Verträgen aus dem B2B-Verkauf von Waren ergeben. Die Rechtsanwälte Professor Burghard Piltz und Christoph Martin Radtke haben als Autoren an dem Handbuch mitgewirkt. Im Interview berichten sie, was beim Einsatz der Incoterms in B2B-Transportverträgen zu beachten ist.
Das „ICC Handbuch zu Transportfragen und Incoterms® 2020“ ist frisch erschienen, im Juni auch in der deutschen Übersetzung. Dass es ein solches Handbuch gibt, zeigt bereits, dass die Incoterms in der Praxis und insbesondere für den Transport sehr genau ausgewählt werden sollten. Wie können das die beteiligten Akteure gut bewältigen, und worauf sollten sie besonders achten?
Christoph Martin Radtke: Erst einmal möchte ich voranstellen, dass es wichtig ist, sich mit den Incoterms grundlegend auseinanderzusetzen und sie wirklich zu studieren. Es reicht nicht aus, kurze Zusammenfassungen zu lesen: Dadurch versteht man die Incoterms nicht und auch nicht die Pflichten, die sich daraus für die Transportwelt ergeben.
Nun bringen die Incoterms® 2020 im Vergleich zur Vorversion zwar keine revolutionären Neuerungen. Aber zahlreiche Verbesserungen in den Erklärungen und den Details der Darstellung, etwa zu Kosten und Zollformalitäten, sind darin enthalten. So war es nur sinnvoll, das Handbuch „Transport und Incoterms“, das schon in die Jahre gekommen war und auf den Incoterms von 2010 beruhte, zu aktualisieren und an die Incoterms® 2020 anzupassen. Wir haben den Begriff „Handbuch“ bewusst im Titel gewählt, um eine Verwechslung mit dem ICC Guide on Incoterms 2010 zu vermeiden.
Die Incoterms sind Teil eines internationalen Kaufvertrags und teilen die Pflichten und Aufgaben zwischen Käufer und Verkäufer auf. Eine der Pflichten dabei ist es, den Transport zu organisieren. Wie regeln die Incoterms-Klauseln das?
Christoph Martin Radtke: Die Incoterms selbst, die ja weltweit für alle Situationen und alle Arten von Gütern und Transport gelten, können natürlich nicht im Detail regeln, was letztlich beim Transport passiert. Daher ist es für die Partei, die den Transportvertrag abschließen muss, sinnvoll zu erklären, was im Einzelnen im Transportvertrag zu regeln ist – je nach Incoterms-Klausel. Und das Handbuch ist auch so aufgebaut: Klausel für Klausel wird Pflicht für Pflicht erklärt. Das Ganze ist dann natürlich zwischen Verkäufer oder Käufer und der Partei des Transportvertrags abzustimmen. Aber in unserem Buch finden sich für alle Situationen praxisgerechte Antworten – und immer mit dem Hinweis, dass diese Hinweise natürlich generellen Charakter haben und die Parteien für ihre individuelle Situation die Details vereinbaren müssen. Doch ich bin mir sicher, dass die Nutzerinnen und Nutzer des neuen Handbuchs darin eine wertvolle Ergänzung zu den Incoterms® 2020 finden – was dann auch der weltweiten Harmonisierung der Praxis dient und letztlich im Interesse der Unternehmen ist, weil es beim Abschluss von derartigen Verträgen Zeit und Kosten spart.
Würden Sie sagen, es ist ein Buch, das man sich zusätzlich zu den Incoterms mit auf den Schreibtisch stellen sollte?
Christoph Martin Radtke: Das lohnt sich unbedingt. Es sei denn, man benutzt nur Incoterms, in denen keine Transportverpflichtung übernommen wird. Aber trotzdem gibt es auch da immer wieder Überraschungen, wenn die andere Partei ihre Pflicht nicht erfüllt. Und durch dieses Buch kann man sich viel Ärger, Probleme und Fragen ersparen.
Burghard Piltz: Ich glaube, man kann hier auch noch einmal deutlich unterstreichen: Die Incoterms sind für den Kaufvertrag gedacht, und aus dem Kaufvertrag resultiert, welche Partei sich um den Transport der Ware kümmern muss. Insofern haben die Incoterms für das Transportgewerbe nur eine mittelbare Bedeutung. Die Incoterms-Klauseln regeln nicht unmittelbar, welche Pflichten der Carrier gegenüber seinem Auftraggeber hat, sondern sie geben vor, welche der Parteien – Käufer oder Verkäufer – sich in welchem Umfang um den Transportvertrag kümmern muss. Weiterhin ist in diesem Zusammenhang zu bedenken: Im internationalen Kaufrecht können die Parteien fast grenzenlos abweichende Abreden treffen. Ganz anders sieht es jedoch im internationalen Transportrecht aus, wo es Vorgaben wie die CMR, also die Konvention für den grenzüberschreitenden Lkw-Güterkraftverkehr, gibt, die nicht durch eine Incoterms-Klausel relativiert oder abgeändert werden dürfen. Daher können die Incoterms für das Transportgewerbe lediglich gewisse individuelle Hinweise geben. Zum Beispiel: Wer muss sich um das Laden, Beladen und Entladen der Ware kümmern? Das ist in diesem Handbuch deutlich herausgearbeitet.
Die Incoterms® 2020 gelten seit rund anderthalb Jahren. Gab es seitdem inhaltlich neue Erkenntnisse, die eine besondere Herausforderung an die Praxis darstellen?
Burghard Piltz: Ja, es gibt zwei Kristallisationspunkte, die offensichtlich die Praxis bewegen. Zum einen wurde die ehemalige Klausel DAT (Delivered at Terminal) inhaltlich praktisch unverändert durch neue Klausel DPU (Delivered at Place Unloaded) ersetzt. Denn in der Praxis waren ursprünglich viele davon ausgegangen, dass da zwingend ein Terminal sein müsse. Aber auch in der Broschüre 2010 stand schon, dass ebenso jedes umzäunte Gelände oder alles, was sich als Lager eignet, zulässig sei. Der Begriff DAT war somit irreführend, und deshalb wurde daraus DPU. Wenn man sich außerdem anschaut, was online erörtert wird, scheinen unterschiedliche Ansichten dazu zu bestehen, wofür das „Unloaded“ steht, wenn ein vollständiger Container – FCL (Full Container Load) – vom Verkäufer an den Frachtführer übergeben wird und der Frachtführer beauftragt wird, diesen Container mit der Klausel DPU zum Käufer zu bringen. Einige meinen, DPU heiße, dass im Zielterminal der Container vom Frachtführer zu entladen sei und das in dem Container enthaltene Stückgut dem Käufer zur Verfügung gestellt werden müsse. Das entspricht jedoch nicht den Vorstellungen der Redaktionsgruppe, die diese bei der Neuformulierung der Klausel hatte.
Ein anderer Punkt, der die Praxis immer wieder bewegt, sind CIF-Geschäfte mit China. Eine Ware wird beispielsweise in Hamburg dem Käufer zur Verfügung gestellt, und dann heißt es, dass noch eine China Import Service Fee und irgendwelche Währungsausgleichbeträge fällig seien – sonst gäben sie die Ware nicht raus. Dabei handelt es sich erfahrungsgemäß um Beträge im kleinen vierstelligen Bereich. Nun mag es so sein, dass es solche Gebühren in China gibt, aber bei einer C-Klausel ist der Verkäufer verpflichtet, sämtliche üblichen Kosten, die anfallen, um die Ware dem Käufer am Zielort zur Verfügung zu stellen, zu übernehmen. Der Verkäufer müsste also auch solch eine Gebühr tragen. Man sollte sich deshalb als Käufer nicht ins Bockshorn jagen lassen. Die deutsche Rechtsprechung hat hinreichend klar ausformuliert, dass bei den C-Klauseln mit der Ablieferung am Abgangshafen, also mit der Übergabe der Ware an den Frachtführer – und nicht mit dem Anbieten der Ware am Zielort – die tatsächliche und rechtliche Verfügungsmacht an der Ware auf den Käufer übergeht. Und das mag ein Ansatz sein, um die Avis-Spediteure zu überzeugen, die Ware herauszugeben.
Die Logistikketten gestalten sich heute immer komplexer, und daraus ergeben sich viele Herausforderungen an den B2B-Verkauf von Waren. Welche Rolle übernehmen die Incoterms hierbei, und was bedeuten sie für den Transport?
Christoph Martin Radtke: Wenn wir von B2B-Geschäften sprechen, hat eines der Unternehmen – je nach Incoterms-Klausel – die Pflicht, den Transport zu organisieren. Es muss also prüfen, ob die Incoterms-Klausel im verhandelten Transportvertrag zu den gewünschten Pflichten passt. Das hilft zu klären, wie man damit umgehen kann, wenn Pflichten ineinandergreifen, was in der Praxis kompliziert werden kann. Das Handbuch enthält keine vorgegebenen Lösungen, sondern Hinweise, was die Parteien vereinbaren müssen.
Es gibt zum Buch auch eine begleitende Seminarreihe unter der Überschrift „Incoterms und Transport“, in der Sie beide online Ihr Wissen weitergeben. Was erwartet dort die Teilnehmerinnen und Teilnehmer?
Burghard Piltz: Diese Veranstaltung richtet sich an Käufer und Verkäufer sowie an Unternehmen und Unternehmer aus der Transportwirtschaft, die mit der internationalen Abwicklung von Kaufgeschäften und des damit verbundenen Transports zu tun haben. In erster Linie sollen natürlich jene Fragen beleuchtet werden, die sich speziell aus transportrechtlicher Sicht ergeben. Wie Herr Radtke bereits angesprochen hat, ist dieses Handbuch so aufgebaut, dass auf die Dinge besonders Wert gelegt wird, die im Verhältnis zwischen Auftraggeber und Frachtführer von Bedeutung sind. Dazu gehört zum Beispiel: Wie wird die Ware übergeben? Wer muss sich um das Beladen, wer um das Entladen kümmern? Wer hat den Transport zu bezahlen? Also geht es darum, das Verhältnis zwischen dem Auftraggeber des Transports – sprich Käufer oder Verkäufer – je nach verhandelter Incoterms-Klausel auf der einen Seite und dem Frachtverkehr auf der anderen Seite unter dem Gesichtspunkt auszuleuchten, dass in einem Kaufvertrag eine bestimmte Incoterms-Klausel vereinbart wurde und welche Bedeutung diese für den Frachtvertrag hat. Das alles werden wir in den Seminaren ausführlich diskutieren.
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