In jüngerer Vergangenheit gelangen immer häufiger Menschenrechtsverletzungen in den Fokus der Öffentlichkeit, was auch die Frage nach dem effektiven Schutz von Menschenrechten im internationalen Kontext verstärkte. Menschenrechte in Schiedsverfahren spielen in diesem Zusammenhang eine zunehmend größere Rolle und kann sich zu einem wirksamen Instrument für den Schutz der Menschenrechte entwickeln.

Hintergrund Menschenrechte in Schiedsverfahren

Nach traditioneller Auffassung wurde der Schutz der in der UN-Menschenrechts-Deklaration von 1948 enthaltenen Menschenrechte international den staatlichen Institutionen zugeordnet. Ähnlich dem deutschen Grundrechtsverständnis sind Menschenrechte  zunächst einmal Schutz- und Abwehrrechte gegenüber dem Staat, der für ihre Gewährleistung  verantwortlich ist. Spätestens Anfang dieses Jahrtausends wurde aber deutlich, dass Menschenrechte  in vielen Ländern  nur teilweise oder gar nicht geschützt werden  und Unternehmen diese Verantwortung zusätzlich übernehmen müssen, wenn sie dort wirtschaftlich tätig werden wollen. Dies geht über die Sicherung der Arbeits-Standards der International Labour Organisation hinaus.

Von UN-Generalsekretär Kofi Annan wurde deshalb 2005 eine internationale Arbeitsgruppe unter der Leitung des Harvard-Professors John Ruggie eingesetzt, die mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte („UN Leitprinzipien“) ein Instrument zur Sicherung der menschenrechtlichen Verantwortung in Wirtschaftszusammenhängen erarbeitete. Die im Juni 2011 verabschiedeten UN-Leitprinzipien basieren auf der Verantwortung der Staaten, die Menschenrechte in ihrem Staatsgebiet zu schützen, erweitert um die Verpflichtung, die im jeweiligen Land tätigen Unternehmen durch rechtliche Vorgaben bis hin zu Sanktionen dazu anzuhalten, ihrerseits die Menschenrechte zu achten. Für die einzelnen Unternehmen wird die Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte abgestuft definiert – je nachdem, ob sie Menschenrechtsverletzungen selber verursachen bzw. dazu beitragen oder aber durch ihre Geschäftsstätigkeit damit direkt verbunden sind. Ein wesentlicher Bestandteil der UN-Leitprinzipien ist die Forderung nach effektivem Rechtsschutz.

Effektiver Rechtsschutz bei der Verletzung von Menschenrechten

Grundsätzlich werden Menschenrechtsverletzungen vor staatlichen Gerichten gerügt, unabhängig davon, ob die Verletzung im Verhältnis Individuum und Staat oder aber zwischen Einzelpersonen und z.B. einem Unternehmen stattgefunden hat. Dies führt allerdings in Staaten, in denen die Garantie für eine unabhängige Gerichtsbarkeit nicht gegeben ist, zu Problemen.

In der Öffentlichkeit spielen deshalb zunehmend Fälle der „strategic litigation“ eine Rolle: Eine Nichtregierungsorganisation oder eine Gewerkschaft klagt in einem Land mit funktionierender Justiz gegen ein Unternehmen wegen Menschenrechtverletzungen im Ausland. Selbst wenn diese Klage kaum Aussicht auf Erfolg hat, kann das strategische Ziel – die öffentliche Aufmerksamkeit auf ein Problem zu lenken und auf das beteiligte Unternehmen durch den Reputationsschaden Druck zu machen – gelingen.

Investitionsschiedsgerichtsbarkeit

Als konkrete Möglichkeit zum effektiven Rechtsschutz bei Menschenrechtsverletzungen erlangt die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit zunehmend Aufmerksamkeit und Bedeutung. Der Investitionsschutz basiert auf völkerrechtlichen Abkommen zwischen zwei oder mehr Staaten. Dem ausländischen Investor werden dabei im jeweiligen Gaststaat bestimmte Schutzstandards eingeräumt. Unter den im Abkommen definierten Voraussetzungen eröffnen sie dem Investor die Möglichkeit, ein Schiedsverfahren gegen den Gaststaat einzuleiten und die Verletzung der zugesicherten Standards geltend zu machen.

Zunehmend werden in diesem Zusammenhang Menschenrechte, ihre Verletzungen und ihr Schutz thematisiert. Bei der Aushandlung neuerer Investitionsschutzabkommen spielt der Schutz von Menschenrechten und eine damit einhergehende Verantwortung der Unternehmen bereits eine Rolle. Es ist zu erwarten, dass künftige Abkommen den Schutz der Menschenrechte einbeziehen werden und damit den Weg zu einem effektiven Rechtsschutz ebnen.

In Schiedsverfahren spielt der Schutz von Menschenrechten bereits jetzt eine zunehmende Rolle. Der Einhaltung und Gewährung von Menschenrechten kommt insbesondere bei der Bewertung staatlicher Regulierungsmaßnahmen eine Rolle zu. Eine wesentliche Fortschreibung dieser Entwicklung zeigt sich in dem Fall „Urbaser v Argentina“ (ICSID Case No. ARB/07/26). Das Schiedsgericht hat hier seine Zuständigkeit für eine ausschließlich auf Menschenrechte gestützte Widerklage (counterclaim) des beklagten Staates bejaht. In der Sache hat das Schiedsgericht auf dieser Grundlage entschieden, dass im internationalen Kontext „the right to water“ ein Menschenrecht ist. Es ist die erste Entscheidung, die sich vertieft mit der Widerklage eines Gaststaates wegen der Verletzung von Menschenrechten durch den klagenden Investor befasst und sich inhaltlich mit der menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen auseinandersetzt.

„Hague Rules on Business and Human Rights Arbitration“

Diese Entwicklungen in Investitionsschiedsverfahren und die zunehmende Bedeutung von Menschenrechten in der internationalen Debatte generell haben zu der Frage geführt, wie Menschenrechtsverletzungen in oder durch Schiedsverfahren grundsätzlich künftig behandelt werden können.  Einen Lösungsansatz versuchen die „Hague Rules on Business and Human Rights Arbitration“ („Hague Rules“) vom 12. Dezember 2019, die von der Business and Human Rights Arbitration Working Group, unter der Leitung von Bruno Simma entwickelt wurden. Sie enthalten eine Schiedsordnung, die auf den 2013 erlassenen Schiedsregeln der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL Arbitration Rues) basiert.

Damit beziehen sie die besonderen Anforderungen menschenrechtsrelevanter Streitigkeiten ein und sehen Verfahrensregeln für die Schlichtung solcher Streitigkeiten vor. Inhaltlich wurden die ursprünglichen Regelungen vor allem im Bereich Transparenz und Schiedsrichterauswahl menschenrechtlich modifiziert. Das Verfahren soll so weit wie möglich öffentlich sein und die Schiedsrichter sollen über Expertise im Bereich der Menschenrechte verfügen.

Insgesamt stellen die Hague Rules eine Umsetzung der UN-Leitprinzipien auf Verfahrensebene des Schiedsverfahrens dar: Sie stellen ein System zur Verfügung, das es Unternehmen ermöglicht, einen Abhilfemechanismus für Menschenrechtsverletzungen zu nutzen. Die Entwicklung hin zu einer steigenden Zahl von strategischen Klagen gegen Unternehmen zeigt den zunehmenden Bedarf an Regeln für Schiedsverfahren mit denen auch Menschenrechtsbelange berücksichtigt werden können.

Entwurf zu einem bindenden Abkommen aus dem UN-Menschenrechtsrat

Seit sechs Jahren tagt die im Anschluss an eine entsprechende Resolution des UN-Menschenrechtsrats eingesetzte Arbeitsgruppe, um ein international verbindliches Instrument zu Auswirkungen von Unternehmensaktivitäten auf Menschenrechte zu entwickeln. Hierfür liegt seit Oktober 2020 ein von Ecuador und Südafrika eingebrachter Entwurf vor, der die rechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen für die Achtung der Menschenrechte kodifiziert und die Prävention von Menschenrechtsverletzungen durch eine Sorgfaltspflichtprüfung („due diligence“, Artikel 6) sowie den Zugang zu Rechtsmitteln bei Menschenrechtsverletzungen (Artikel 7) verlangt. Der Vorschlag sieht ein Schiedsverfahren als möglichen Streitbeilegungsmechanismus vor (Artikel 18) und zeigt damit, dass das Schiedsrecht als taugliches Instrument zur Konfliktlösung von menschenrechtlichen Streitigkeiten anerkannt wird. Weiterhin ruft der Entwurf zu einer Auslegung und Implementierung seiner Regelungen in bestehenden und künftigen Investitions- oder Handelsabkommen auf (Artikel 14).

Fazit zum Thema Menschenrechte in Schiedsverfahren

Die private Schiedsgerichtsbarkeit wird zum aktuellen Zeitpunkt zur Durchsetzung von Menschenrechten noch verhältnismäßig wenig genutzt und Menschenrechte in Schiedsverfahren in der Praxis von ungeordneter Relevant . Im Rahmen der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit haben menschenrechtliche Fragestellungen jedoch bereits eine beachtliche Bedeutung. Wie der mit den Hague Rules verfolgte aktuelle Ansatz zeigt, wird die Bedeutung von Menschenrechten in Schiedsverfahren – und umgekehrt – künftig voraussichtlich weiter zunehmen. Es ist davon auszugehen, dass Investitionsschiedsgerichte zu einem effektiven Schutz der Menschenrechte beitragen können.

Der Beitrag zum Thema „Menschenrechte in Schiedsverfahren“ der Rubrik Streitbeilegung und Schiedsverfahren ist im ICC-Germany-Magazin, Nr. 12, erschienen. Mehr über unser Magazin erfahren und kostenfrei abonnieren.

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