ICC Germany: Passen gewerblicher Rechtschutz und alternative Streitbeilegung zusammen? Was sind die Vorteile von Schiedsverfahren im IP-Bereich?
Dr. Jörg Thomaier: In der Vergangenheit waren alternative Streitbeilegungsverfahren in unserem Unternehmen im Bereich IP tatsächlich eher die Ausnahme und generell nicht sehr erwünscht. In der Zwischenzeit hat sich das aber durchaus geändert. Insbesondere nach zuletzt erzielten Erfolgen bzw. technisch und inhaltlich sehr gut nachvollziehbaren Entscheidungen sind diese Verfahren mehr in den Fokus unseres Interesses geraten. Daher gehe ich davon aus, dass wir zukünftig häufiger Schiedsklauseln in Verträgen zu IP nutzen und sicher auch stärker in anhängigen Verfahren auf Mediation als Mittel zur Streitbeilegung zurückgreifen werden.
Grundsätzlich haben Schiedsverfahren im IP-Bereich in der Regel den Vorteil, dass man sich auf sach- und branchenkundige Schiedsrichter einigen kann und somit eine erheblich größere Chance auf eine sachkundige und angemessene Entscheidung hat. Die Darlegung des meist durch die Technik und technische Fragen geprägten Sachverhaltes ist gegenüber einem entsprechend vorgebildeten Panel natürlich einfacher und das Verständnis auf Seiten des Panels erheblich besser als im Falle der nur juristisch vorgebildeten Gerichte. Selbstverständlich kann man auch hier nicht alle über einen Kamm scheren: Spezialisierte Gerichte, wie die entsprechenden Streitkammern an deutschen Landgerichten erreichen durch ihre Erfahrung auch ohne spezifische technische Vorbildung der Richter eine nicht zu unterschätzende Expertise. Sie sind ein echter Standortvorteil.
Völlig anders sieht es aber beispielsweise bei Gerichten wie den US Federal Circuit Courts aus, den obersten US-Bundesgerichten für Patentrechtsfragen. Dort hat ein technisch vollkommen unbeschlagener, häufig sogar politisch motiviert ernannter US Federal Judge nur alle paar Jahre einen Patentfall zu entscheiden. Zudem kommt gerade in kostenintensiven Jurisdiktionen wie den USA und in geringerem Umfang Großbritannien neben dem Qualitäts- auch der Kostenaspekt zum Tragen. In Deutschland mit einer relativ kostengünstigen Jurisdiktion sieht dies hingegen anders aus.
ICC Germany: Wann setzen Sie auf staatliche Gerichte und wo auf Schiedsverfahren?
Dr. Jörg Thomaier: Wenn wir über die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen, wie in Patentverletzungsverfahren, sprechen, dann werden in der Regel staatliche Gerichte den Vorrang haben. In manchen Fällen kann es zudem rechtliche Gründe haben, zwingend vor ein staatliches Gericht zu ziehen: So lösen beispielsweise ausschließlich reguläre Verletzungsklagen vor dem Federal District Court die Aussetzung des staatlichen Zulassungsverfahrens für ein verletzendes Produkt im Life Science-Sektor aus. Ähnliches gilt mittlerweile in China oder Korea. Parallel zu einem solchen Verfahren vor einem ordentlichen Gericht ist je nach Jurisdiktion Mediation allerdings sehr gut vorstellbar, um das Verfahren durch einen außergerichtlichen Vergleich abzukürzen und gegebenenfalls kostengünstiger zu gestalten.
Schiedsverfahren bedürfen einer Einigung der Parteien auf ein solches Verfahren. Es ist kaum vorstellbar, dass man sich mit einem Verletzer auf ein alternatives Schiedsverfahren einigen können wird. Anders sieht es im Rahmen einer Geschäftsanbahnung aus, wo man sich bereits im Vertrag noch vor der Konfliktentstehung auf eine Schiedsklausel einigen kann. Gerade mit US-amerikanischen Partnern bietet sich das an, da in Schiedsverfahren die Kosten bei meist besserer Qualität des Urteils niedriger sind. Daher kann man als Grundregel sagen: Im Falle einer festgestellten Patentverletzung klagt man vor staatlichen Gerichten, in Verträgen bietet es sich aber an, Schiedsklauseln einzusetzen – gerade in kostenintensiven Jurisdiktionen.
ICC Germany: Welche strategischen Vorteile kann die Mediation bieten?
Dr. Jörg Thomaier: Bedingung für Mediation ist, dass beide Parteien ein grundsätzliches Interesse an einer Einigung haben. Wenn hingegen das einzige werthaltige Ziel einer Partei beispielsweise eine Unterlassungsverfügung ist, macht eine Mediation natürlich keinen Sinn, da es in diesem Fall keine für beide Seiten vorteilhafte Lösung geben kann.
Vom Anwendungsbereich bietet Mediation aus meiner Sicht in zwei Situationen Vorteile: Zum einen kann man sie proaktiv nutzen, um eine kostenintensive gerichtliche oder schiedsgerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Beispielsweise wenn begonnene Verhandlungen der Parteien stocken und in Richtung förmlicher Auseinandersetzung driften. In diesen Fällen kann eine Mediation festgefahrene Positionen lösen und zusammenbringen bzw. gleich verhindern, dass sich die Gespräche festfahren. Zum anderen kann Mediation aber auch während einer streitigen Auseinandersetzung vor einem (Schieds-)Gericht eine strategische Option sein, wenn die Parteien das Gespräch suchen.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, das festgefahrene Gespräche von Parteien, die grundsätzlich einigungsbereit sind, aber glauben in ihren Vorstellungen zu weit auseinander zu liegen, durch Mediation zu erstaunlich zufriedenstellenden Ergebnissen gelangen können. Insbesondere bei verhärteten Fronten, wenn Konflikte beispielsweise durch eine längere Historie belastet sind, kann eine gute Mediation Bemerkenswertes leisten. Natürlich ist auch hier die sorgfältige Wahl des Mediators, genauso wie bei der Wahl eines Schiedsgerichts, von wesentlicher Bedeutung für den Erfolg. Ein/e Mediator/in sollte vor allem die Branche(n) der Parteien möglichst gut kennen und verstehen, um in der Lage zu sein, die Parteien zusammenbringen zu können.
Der Beitrag ist im ICC-Germany-Magazin, Nr. 07, erschienen. Mehr über unser Magazin erfahren und kostenfrei abonnieren.
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