Hintergrund

Im Jahr 2015 verabschiedeten 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen die UN Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung und bekannten sich zu den „Sustainable Development Goals“, kurz SDGs. Die ICC – die einzige Wirtschaftsorganisation mit UN-Beobachterstatus – wirkte aktiv bei der Erarbeitung der Ziele mit und begleitet deren Umsetzung in der Wirtschaft.

17 ambitionierte Ziele für eine bessere Welt

Die 17 Ziele sind wesentlich und ambitioniert zugleich: Es geht um die Abschaffung von Armut und Hunger, Geschlechtergleichheit, bezahlbare und saubere Energie, nachhaltige Städte und Gemeinden, Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen, um nur einiges zu nennen. Die  weltweite Umsetzung der SDGs erfordert tiefgreifende Anpassungen bei Bildungssystemen, Energielandschaften und Städteplanung. Neue Technologien müssen erprobt und Innovationszyklen von wirtschaftlich attraktiven und nachhaltigen Technologien verkürzt werden. Eine Herkulesaufgabe.

Auf dem diesjährigen UN High-Level Political Forum für Nachhaltige Entwicklung im Juli 2018 kamen Vertreter aus Wirtschaft und Politik zusammen und richteten einen Appell an alle Beteiligten, das bisher Erreichte durchaus kritisch zu betrachten.

Ambivalente Zwischenbilanz

Denn in der Tat fällt die bisherige Bilanz, drei Jahre nach Verabschiedung der Ziele, ambivalent aus.

Wie der „Sustainable Development Goals Report 2018”[1] zeigt, geht es heute vielen Menschen besser als je zuvor. Die Zahl der Menschen, die über Zugang zu elektrischem Strom verfügen, ist deutlich gestiegen und hat sich in den am wenigsten entwickelten Ländern zwischen 2000 und 2016 sogar mehr als verdoppelt. Weltweit ist die Arbeitsproduktivität gestiegen und die Arbeitslosigkeit gesunken. Und mehr als 100 Länder haben bereits Initiativen zu nachhaltigem Konsum und nachhaltiger Produktion implementiert.

Dennoch besteht in einigen Bereichen dringender Handlungsbedarf. So konstatiert die Weltbank im „Atlas of Sustainable Development Goals”[2], der in diesem Jahr herausgegeben wurde:

  • Im Jahr 2015 hatte mindestens die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zu essentieller Gesundheitsversorgung.
  • Auf Grund des rasanten Bevölkerungswachstums müssen in Subsahara-Afrika heute mehr Menschen ohne Strom auskommen als in 1990.
  • Der Anteil der Erneuerbaren Energien am gesamten Energieverbrauch liegt weltweit bei lediglich zehn Prozent.

Ein aktueller Fortschrittsbericht der Bertelsmann Stiftung und des Sustainable Development Solutions Network (SDSN)[3] kommt zu dem ernüchternden Schluss: Keines der 193 Länder ist bislang auf Kurs, alle Ziele bis 2030 zu erfüllen. Dringender Handlungsbedarf herrscht vor allem bei nachhaltigem Konsum und nachhaltiger Produktion und bei Aktionen gegen den Klimawandel.

Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen

Unternehmen kommt dabei eine Schlüsselrolle als Motor zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele zu. Sie prägen mit ihren Produkten und Lösungen in besonderem Maße die Gesellschaften und wie wir leben – heute und in Zukunft.

Siemens hat sich beispielsweise verpflichtet, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu sein. Seit 2015 haben wir bereits unsere weltweiten CO2-Emissionen um 25 Prozent reduziert. Mit unserem Umweltportfolio halfen wir unseren Kunden im Geschäftsjahr 2017, ihre CO2-Emissionen um 570 Millionen Tonnen zu reduzieren – das entspricht mehr als 70 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen in Deutschland.

Gesellschaftliche Verantwortung übernehmen ist das, was unser Unternehmen antreibt. Wir leben diese Verantwortung. Als global agierendes Unternehmen hat sich Siemens den nachhaltigen Entwicklungszielen verschrieben. Sie sind entscheidende Leitplanken für unsere Geschäftstätigkeit, aber auch für unsere Geschäftspraktiken. Mit unseren Produkten und Lösungen leisten wir einen positiven Beitrag zum Erreichen aller nachhaltigen Entwicklungsziele. Dies gilt in besonderem Maße für die Versorgung mit Medizintechnik, eine stabile und nachhaltige Energieversorgung, eine effiziente Industrie, eine nachhaltige Stadtentwicklung und eine zukunftsweisende Mobilität. Doch auch über die Art und Weise, wie wir als Unternehmen operieren, können wir die SDGs positiv beeinflussen – indem wir beispielsweise die Sicherheit, Weiterbildung und das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter fördern und uns zu verantwortungsvollen Geschäftspraktiken verpflichten.

„Megaprojekt“ Ägypten: für  wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt

Doch wir wollen und können auch ganze Länder dabei unterstützen, ihre nationalen Ziele zu erreichen. Ein Beispiel ist unser sogenanntes „Megaprojekt“ in Ägypten – der bisher größte Einzelauftrag in der Geschichte von Siemens. Binnen 38 Monaten sollte die Stromerzeugungskapazität im Land um mehr als 40 Prozent gesteigert und das Energiesystem insgesamt stabilisiert werden, um damit den Grundstein für nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum zu legen. Einen solchen Auftrag anzunehmen, ist eine Verpflichtung – gegenüber dem Kunden, wie auch gegenüber der Gesellschaft.

Nach Fertigstellung in Rekordzeit sind seit Juli 2018 in Ägypten die drei größten Gaskraftwerke der Welt im Einsatz und liefern Energie für bis zu 40 Millionen Menschen. Dank der effizienten Technik spart das Land pro Jahr Brennstoffkosten von mehr als einer Milliarde US-Dollar.

Aber um das industrielle Wachstum des Landes wirklich nachhaltig zu unterstützen ist mehr nötig, als „nur“ Spitzentechnologie zu liefern. Dazu gehört auch, einen zielgerichteten Wissensaustausch zu fördern, Innovationen voranzutreiben, Arbeitsplätze zu schaffen und lokal Kompetenzen aufzubauen. Nur wenn die Menschen vor Ort über die richtigen Kompetenzen verfügen, können sie sich selbst neue Perspektiven erschließen und einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes leisten. So war auch Teil des „Megaprojekts“ Ägypten, vor Ort 600 Ingenieure und Techniker auszubilden, die heute den Betrieb der weltgrößten Kraftwerke steuern – und ihr Wissen und ihre Erfahrung an nachfolgende Generationen weitergeben werden.

Welchen Beitrag Unternehmen leisten können

Ansatzpunkte, wie Unternehmen zum Erreichen der SDGs beitragen können, gibt es viele. Auch dies war ein Thema des UN High-Level Political Forum. Die ICC hat vier zentrale Erkenntnisse identifiziert:

  1. Zunächst gilt es, Transparenz herzustellen – über bisherige Erfolge, aber auch über die Bereiche, in denen wir zu langsam vorankommen. Der „Business Report“ der ICC, der auf dem diesjährigen SDG Business Forum vorgestellt wurde, ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung, da er an Hand von Fallbeispielen und konkreten Empfehlungen aufzeigt, wie Unternehmen die SDGs in ihre Strategien implementieren können.
  2. Die globalen Herausforderungen lassen sich nur gemeinsam lösen. Politik, Unternehmen und die Gesellschaft müssen offene, grenzüberschreitende Partnerschaften eingehen. Durch effizienten Handel kann es gelingen, wirtschaftliches Wachstum und steigende Einkommen bei allen Beteiligten zu fördern.
  3. Moderne Technologie kann dazu beitragen, die Lebensqualität weltweit zu verbessern, beispielsweise indem sie die Verfügbarkeit von Daten verbessert.
  4. Auf allen Unternehmensebenen, und insbesondere in kleineren und mittleren Unternehmen, muss das Bewusstsein für die SDGs weiter geschärft werden. Denn jeder Einzelne muss sich fragen, welchen Beitrag er zum Erreichen der SDGs leisten kann.

Fazit

Es geht für Unternehmen nicht nur um die Frage, welche Geschäfte sie machen, sondern wie sie Geschäfte machen. Und genau hier, beim Zusammenspiel aus Technologie und gesellschaftlichem Engagement, können Unternehmen ansetzen, um die UN Agenda 2030 doch noch zum Erfolg zu führen.

[1] https://unstats.un.org/sdgs/files/report/2018/TheSustainableDevelopmentGoalsReport2018.pdf

[2] https://blogs.worldbank.org/opendata/2018-atlas-sustainable-development-goals-all-new-visual-guide-data-and-development

[3] http://www.sdgindex.org/assets/files/2018/01%20SDGS%20GLOBAL%20EDITION%20WEB%20V9%20180718.pdf

 

Der Beitrag ist im ICC-Germany-Magazin, Nr. 07, erschienen. Mehr über unser Magazin erfahren und kostenfrei abonnieren.

Bild: Siemens AG.