Inhalt
- Welche Distanzen können Waren auf der Schiene effizient überbrücken? Ist die Bahn eher ein „Team Kurzstrecke“ oder kann sie auch „Marathonläuferin“ sein?
- Welche Rolle spielt derzeit die Schiene im globalen Warentransport und welche Perspektiven sehen Sie hier?
- Der Transport auf der Schiene bietet viele Vorteile für den Klimaschutz: Was kann DB Cargo den Transporteuren vor diesem Hintergrund bieten?
- Die Infrastruktur ist die Achillesferse: Wie gehen Sie diese Herausforderung an?
- Welche Schwerpunkte setzen Sie sich persönlich bei all diesen Themen?
Welche Distanzen können Waren auf der Schiene effizient überbrücken? Ist die Bahn eher ein „Team Kurzstrecke“ oder kann sie auch „Marathonläuferin“ sein?
Nikutta: DB Cargo ist ein globaler Marathonläufer und das jeden Tag! Wir sind mit 20.000 Zügen pro Woche in 18 europäischen Ländern unterwegs – und fahren auch mehrmals täglich mit Zügen nach China auf der neuen Seidenstraße. Schienengüterverkehr ist aus Tradition europäisch – 60 Prozent aller Verkehre von DB Cargo fahren über mindestens eine Grenze. Der längste Zug rollt über 12.000 Kilometer von Rotterdam bis Shenyang in China. Dabei ist die Zugverbindung nach China doppelt so schnell wie ein Containerschiff und kostet nur ein Zehntel des Flugzeugtransports. Außerdem können wir in Europa rund 4.200 Zugangspunkte zu diesem grandiosen Umweltnetzwerk anbieten.
Wir sind über Terminals und Rangierbahnhöfe, aber auch durch unzählige Gleisanschlüsse mit unseren Kunden vernetzt. Somit können wir ebenso „Kurzstrecke“, weil es uns gelingt, auch einzelne Wagen zu Kunden in Deutschland und Europa zu verteilen. Dabei spart jeder Güterzug im Vergleich zum Straßentransport 80 bis 100 Prozent an CO2.
Wie robust und resilient der Schienengüterverkehr funktioniert, hat er auch in der Coronakrise bewiesen: Im Frühjahr 2020 waren medizinische Schutzmasken plötzlich Mangelware – die Lkws standen an den geschlossenen Grenzen im Megastau. Wir haben in dieser Zeit Container von China nach Kaliningrad an die Ostsee geschickt, von dort mit dem Schiff nach Rostock und dann weiter per Zug nach Duisburg und Verona.
Welche Rolle spielt derzeit die Schiene im globalen Warentransport und welche Perspektiven sehen Sie hier?
Nikutta: Nach Corona wird es weiterhin eine globalisierte Arbeitsteilung geben, und wir werden die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie gut bewältigen – da bin ich sehr zuversichtlich. Aber: Gegen den Klimawandel gibt es eben keine Schutzimpfung. Die Schiene als umweltfreundlichster Verkehrsträger wird zunehmend relevant, wenn es um die klimaneutrale Produktion geht. Die Lieferkette ist ja Teil einer umweltgerechten Wertschöpfung, und DB Cargo bietet komplett klimaneutrale Transporte an. Unser Umweltnetzwerk gibt es seit fast 200 Jahren, allein in Deutschland umfasst es 35.000 Kilometer.
Wenn wir einen Blick auf die globalen Warenströme richten, glaube ich, dass vor allem der intermodale Transport, insbesondere mit Containern, die größten Zuwachsraten erreichen wird. Warum? Hier kann entlang der Lieferkette stets der umweltfreundlichste und beste Verkehrsträger benutzt werden. Außerdem können standardisierte Transportbehälter unglaublich schnell umgeladen werden. In den großen Seehäfen läuft der Umschlag weitgehend automatisiert, und zugleich können wir als DB Cargo Container auch an kleinen „Tiny Railports“ umschlagen. Dazu braucht es gar keine großen Investitionen, um Industrie und Gewerbe klimafreundlich weitab von der Küste ans globale Netzwerk anzuschließen. Vom Passauer Donauhafen, fast 1.000 Kilometer von der Nordsee entfernt, fährt täglich ein Containerzug in wenigen Stunden zu großen Hamburger Terminals; allein ein Zug ersetzt dabei 52 Lkws auf den Autobahnen und erspart tonnenweise CO2 auf dieser Fahrt.
Frau Nikutta, der Transport auf der Schiene bietet viele Vorteile für den Klimaschutz: Was kann DB Cargo den Transporteuren vor diesem Hintergrund bieten?
Nikutta: Nur wenn wir mehr Güter auf die umweltfreundliche Schiene packen, schaffen wir die Klimaziele, die sich Deutschland nach der Pariser Klimakonferenz gesteckt hat. Konkret bedeutet das: Der Verkehrssektor muss seinen CO2-Ausstoß um 23 Millionen Tonnen, also 42 Prozent, bis 2030 reduzieren. Es geht hier um richtig große Potenziale. Derzeit werden 18 Prozent unserer Güter, die wir täglich kaufen, verarbeiten und benötigen, auf der Schiene transportiert. Dieser Anteil soll nach dem Willen der Bundesregierung bis 2030 auf 25 Prozent steigen. Wir sind bereit für mehr Güter auf der Schiene, und darum verbreiten wir diese Botschaft auch in einer groß angelegten Werbekampagne. Denn es geht jetzt darum, dass wir alle ein neues gesellschaftliches Verständnis entwickeln. Schließlich ist ein Produkt erst dann nachhaltig, wenn auch sein Lieferweg klimagerecht ist. Ich bin eine Freundin der Gesamtrechnung! Der Blick auf die Kosten muss ehrlicher werden: Die vermeintlich so günstige Straße ist in Wirklichkeit sehr teuer. Die Folgekosten der Klimaerwärmung, des Flächenverbrauchs durch Straßenbau oder durch Unfälle zahlen wir gegenwärtig alle.
Die Infrastruktur ist die Achillesferse: Wie gehen Sie diese Herausforderung an?
Nikutta: Wir erleben als Bahn Rückenwind in Orkanstärke, was Investitionen in das Schienennetz betrifft. Zahlreiche Aus- und Neubauprojekte sowie die Sanierung der Infrastruktur laufen. Allein in diesem Jahr werden mehr als 12 Milliarden Euro verbaut. Klar, wenn es nach mir ginge, könnten manche Großprojekte deutlich schneller laufen. Aber es ist wichtig, dass wir im dicht besiedelten Deutschland berechtigte Interessen einerseits und übergeordnete Klimaziele andererseits abwägen und dann gemeinsame Lösungen finden. Ein Schlüssel, um mehr Kapazität im Schienennetz zu schaffen, ist die Digitalisierung. Durch digitale Leit- und Signaltechnik schaffen wir bis zu 20 Prozent mehr Kapazität im Netz, ohne einen einzigen Meter Schiene neu bauen zu müssen. Das kommt dem Güterverkehr zugute. Das erste digitale Stellwerk (DSTW) auf einer Hauptstrecke entsteht zurzeit nicht auf einer ICE-Rennstrecke, sondern auf der Strecke Treuchtlingen–Augsburg, einem wichtigen Abschnitt für den Güterverkehr.
DB Cargo richtet sich gleichzeitig auf Europa aus – mit einer eigenen Korridorstrategie und Investitionen in Ausbildung und rollendes Material. Über 600 interoperable E-Loks werden eingesetzt – das ist über die Hälfte der gesamten E-Lok-Flotte von DB Cargo. Dadurch kann auf immer mehr Strecken in Europa länderübergreifend ohne Lokwechsel gefahren werden. Das spart natürlich Zeit. Dadurch kann DB Cargo die Qualität der Transporte erhöhen und das System Schiene gegenüber Transporten auf der Straße stärken. DB Cargo investiert seit Jahren viele Millionen Euro, um die technischen Unterschiede zwischen den Ländern anzugleichen. In der Cargo-Familie arbeiten wir grundsätzlich länderbergreifend Hand in Hand; gemeinsam werden die Züge auf den jeweiligen Korridoren gemanagt. DB Cargo bietet insgesamt 13 Korridore in Europa an, zum Beispiel von Polen bis ins italienische Verona oder von Valencia nach London. Für einen nahtlosen Prozess über Grenzen hinweg sorgen eigene, international besetzte „Corridor Management Teams“. Sie koordinieren und überwachen die Abfahrts- und Ankunftspünktlichkeit, die Laufzeit der Züge und die verfügbaren Kapazitäten. Im Störungsfall behält ein eigenes Operations Center mit Sitz in Frankfurt alle Züge im Blick.
Welche Schwerpunkte setzen Sie sich persönlich bei all diesen Themen?
Nikutta: Klimaschutz ist eine Frage der Generationengerechtigkeit. Mich reizt an meinem Job die riesige Herausforderung, wirklich etwas zu bewegen – und zwar für die gesamte Gesellschaft. Wir haben den Rückenwind aus der Politik. Wir sind groß, grün und leistungsfähig; ohne uns gibt es keine Verkehrsverlagerung. Das Erreichen der Klimaziele ist nur mit einem leistungsfähigen Schienengüterverkehr möglich. Dafür kämpfen wir gemeinsam bei DB Cargo – als klimafreundlicher Bahnlogistiker mit der Schiene im Herzen.
Bildnachweis: DB Cargo AG
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