Inhalt
Thomas Maulbeck

Thomas Maulbeck ist Vertriebsleiter bei der TIA innovations GmbH und berät seit 14 Jahren Unternehmen im Bereich elektronische Zollabwicklung und Außenhandel.

Das Freihandelsabkommen mit Vietnam steht beispielhaft für die vielfältigen Vergünstigungen, die Unternehmen beim Warenaustausch zwischen der Europäischen Union und zahlreichen Drittländern und Handelszonen in Anspruch nehmen können. Im Fall von Vietnam sind innerhalb der kommenden zehn Jahre umfangreiche Lockerungen der Beschränkungen geplant. Das Ziel ist es, den Handel zwischen der EU und dem südostasiatischen Land zu 99 Prozent zollfrei zu gestalten. Zwar ist die Anwendung der Handelsabkommen rein formal nicht verpflichtend. Steigender Wettbewerbsdruck und die zunehmende Anzahl betroffener Länder zwingen Unternehmen jedoch dazu, die im jeweiligen Abkommen festgelegten Präferenzregeln im internationalen Geschäft zu nutzen.

Um in den Genuss der vergünstigten Zölle zu kommen, müssen Unternehmen nachweisen können, dass ihre gehandelten Waren bestimmte, im Präferenzabkommen festgelegte Ursprungsregeln erfüllen. Sie definieren, welche Be- oder Verarbeitungen an den (Vor-)Materialien durchzuführen sind, um der eigengefertigten Ware einen Ursprung zu verleihen. Üblicherweise erhält eine Ware ihren präferenzrechtlichen Ursprung also durch eine „ausreichende Be- oder Verarbeitung“ im Herstellungsland. Gerade in neueren Freihandelsabkommen, wie beispielsweise zwischen der EU und Vietnam, weichen die Verarbeitungslisten allerdings teils deutlich ab. Dadurch wird die korrekte Ursprungsbestimmung zusätzlich erschwert.

Der Alltag: Verwaltungsstau und Fehlerteufel statt freiem Handel

Um den Ursprung einer Ware zu ermitteln und eine Präferenzkalkulation durchführen zu können, benötigen Unternehmen eine Vielzahl an spezifischen Informationen aus der gesamten Wertschöpfungskette. Die im Außenhandel tätigen Unternehmen setzen häufig auf Standardsoftware, um den technischen und fachlichen Anforderungen der Handelsregeln nachzukommen. Die wachsende Vielfalt der Freihandelsabkommen hingegen macht es für Unternehmen noch schwerer, Verzollungs-Prozesse korrekt zu bewerten und auszuführen, ohne den Handelsfluss nachhaltig zu bremsen.

Um alle Vorgaben der Lieferantenerklärungen für innergemeinschaftliche Lieferungen oder Ursprungsnachweise zu erfüllen, verbringen die zuständigen Mitarbeiter oft viel Zeit mit der manuellen Recherche auf einschlägigen Zoll-Websites und der Auswahl und Dokumentation der richtigen Daten. Aufgrund der komplexen Ursprungsregelungen und laufender Veränderungen im breiten Spektrum der Handelsabkommen ist es extrem aufwändig, rechtskonforme Unterlagen zu erstellen.

Darüber hinaus ist in vielen Unternehmen unklar, wer für die Prozesse rund um Warenursprung und Präferenzkalkulation (WuP) eigentlich zuständig ist. Oft wird die Verantwortung abteilungsübergreifend auf Einkauf, Vertrieb, IT und, falls vorhanden, die Zollabteilung verteilt. Auf diese Weise wird der Informationsfluss mit jeder Schnittstelle fehleranfälliger. Umfrageberichten zufolge liegt die durchschnittliche Fehlerquote der Angaben von Unternehmen bei 30 bis 40 Prozent.

Freie Wege mit der richtigen Zollsoftware

Dank digitalem Datenmanagement können Unternehmen ihre WuP-Prozesse schlank halten und effizienter steuern. Der Umstieg auf ein geeignetes System ist dabei unkomplizierter, als die meisten denken. Die für den Einstieg notwendigen Daten, wie Lieferantenstammdaten und Bestellhistorie, können aus einem Vorsystem für die gängigen WuP-Prozesse meist direkt exportiert und über flexible Schnittstellen importiert werden. Durch integrierte Updateservices für Abkommensregeln und Kumulierungszonen entfällt außerdem die umfangreiche Recherche- und Pflegearbeit. Anstelle von aufwändig manuell erstellten Tabellen tritt nun ein übersichtlicher Workflow, mit dem anhand von Checklisten und Plausibilitätsprüfungen das Anlegen und Pflegen von Lieferantenerklärungen fast zum Kinderspiel wird.

Greifen Unternehmen auf Lösungen von Anbietern zurück, die Mitglied im Bundesverband der Zollsoftware-Hersteller (BVZH) sind, profitieren sie von der schnelleren und vereinfachten Abwicklung ihrer WuP-Vorgänge. Durch den standardisierten Austausch der Lieferantenerklärungen über die elektronische BVZH-Schnittstelle reduziert sich zudem der Prüfaufwand der Daten für alle beteiligten Geschäftspartner. Die gesetzliche Verpflichtung, über den Zeitraum von zehn Jahren alle Lieferantenerklärungen aufzubewahren, wird hierdurch wesentlich vereinfacht. Werden darüber hinaus noch sämtliche Präferenzkalkulationen im WuP-System transparent dokumentiert, haben Sie ein weiteres, entscheidendes Ziel erreicht: die Rechtssicherheit.

Um durch die Handelsabkommen einen echten Wettbewerbsvorteil zu gewinnen, müssen Unternehmen in der Lage sein, ihre komplette Liefer- und Produktionskette schnell zu bewerten und sicher zu steuern. Hierbei kann die Simulation von Präferenzkalkulationen unterstützen: bereits vor der tatsächlichen Produktion haben Unternehmen die Möglichkeit festzustellen, ob eigengefertigte Produkte in bestimmten Ländern präferenzberechtigt sind. So lassen sich für Exportunternehmen entscheidende Zeit- und Kostenersparnisse realisieren. Um auf die jeweiligen Erfordernisse des Geschäftsumfelds optimal reagieren zu können, punkten moderne WuP-Systeme darüber hinaus mit zahlreichen praxisorientierten Zusatzfunktionen, wie Web-Portal für den Datenaustausch mit Zulieferern, einer Chargenverfolgung, der Ermittlung des maximalen Einkaufspreises für Zukaufteile sowie der Anbindung von Dokumentenmanagementsystemen.

Fazit

Bei der Überlegung, ob im Außenhandel tätige Unternehmen die Regeln internationaler Handelsabkommen in Anspruch nehmen sollten, empfiehlt es sich immer, Aufwand und Nutzen sorgfältig abzuwägen. Nehmen Unternehmen geeignete Systemlösungen in Anspruch, um ihre WuP-Prozesse digital zu verwalten und zu steuern, profitieren sie oftmals schneller und einfacher von den möglichen Wettbewerbsvorteilen. Neben einer robusten, auf die Geschäftsprozesse optimierten Software ist dabei eine kompetente und umfassende Betreuung durch die Softwareanbieter entscheidend.

Der Beitrag ist im ICC-Germany-Magazin, Nr. 11, erschienen. Mehr über unser Magazin erfahren und kostenfrei abonnieren.

Bildnachweis: © bong hyunjung – istockphoto.com