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Dr. Claas Oehlmann

ist seit Juni 2021 Geschäftsführer der neuen BDI-Initiative Circular Economy. Er studierte Politik-, Kommunikations-, Rechts- und Nachhaltigkeitswissenschaften in Mannheim, Fulda, Bremen und Lüneburg. Er promovierte zur Notwendigkeit zur Fortentwicklung des europäischen Abfall- zu einem Kreislaufwirtschaftsrecht an der Universität Bremen.

Globale Herausforderungen und europäische Ansätze

Die Rohstoffversorgung der Industrie fußt auf drei Säulen. Dazu zählen heimische Rohstoffe (1), importierte Rohstoffe (2) und Rohstoffe aus der Circular Economy (3). Unter Rohstoffen aus der Circular Economy können Recyclingrohstoffe, industrielle Nebenprodukte und nachhaltig gewonnene Rohstoffe aus biologischen Kreisläufen verstanden werden. Der weltweite Wettbewerb um Ressourcen wird weiter zunehmen. Dafür spricht das Streben aller Weltregionen nach Entwicklung und Wohlstand sowie massive technologische Umbrüche wie die Elektrifizierung des Mobilitätssektors. Zugleich besteht die Herausforderung, unser Wirtschaftssystem so zu gestalten, dass die Ziele des Pariser Abkommens zum Klimaschutz und die 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen erreicht werden.

Ein strategischer Ansatz in diesem Kontext ist das zirkuläre Wirtschaften. Es basiert auf einer möglichst langen Nutzung sowie Rückführung und Wiedernutzung von qualitativ hochwertigen Rohstoffen und Produkten. Der Übergang in ein zirkuläres Wirtschaftsmodell bedarf allerdings einer ganzheitlichen und ambitionierten Strategie in Politik und Wirtschaft.

Im Jahr 2019 legte die EU-Kommission mit dem „Green Deal“ ihre politische Agenda bis zum Jahr 2024 vor. Dabei wird das übergeordnete Ziel verfolgt, dass in der EU bis zum Jahr 2050 netto keine Treibhausgase mehr ausgestoßen werden. Gleichzeitig soll die EU ein global wettbewerbsfähiger Wirtschaftsraum sein, in dem das Wachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt ist. Eine zentrale Rolle auf diesem Weg soll der Übergang zu einer zirkulären Wirtschaft spielen. Dazu legte die Kommission im März 2020 den „New Circular Economy Action Plan” vor. Ziel der darin festgelegten Maßnahmen ist eine umfassende Transformation der europäischen Industrie zu einer klimaneutralen und rohstoffschonenden Circular Economy. Diese Ambition spiegelt sich konkret im angekündigten neuen Rechtsrahmen für eine nachhaltige Produktpolitik inkl. der Schaffung eines „Rechts auf Reparatur“ von Produkten und der Revision zentraler Rechtsakte wie der EU-Batterieverordnung, der EU-Verpackungsrichtlinie, der EU-Altfahrzeugrichtlinie und der EU-Abfallverbringungsverordnung.

Vier Aktionsfelder für eine innovative, zirkuläre Wirtschaft

I.  Nachhaltiges Produktdesign fördern

Das Design von Produkten muss vielen Anforderungen des Marktes entsprechen. Dazu zählen u. a. die Produktsicherheit, die Funktionalität und die Vermarktbarkeit (sog. „Design for Performance“). Gleichzeitig entscheidet das Produktdesign maßgeblich darüber, ob Produkte und Materialien möglichst lange und in vielen Kreisläufen genutzt werden können. Durch eine Steigerung der Zirkularität von Produkten (sog. „Design for Circularity“) kann daher ein wichtiger Beitrag zum Ressourcenschutz geleistet werden. Im Mittelpunkt eines solchen Ansatzes stehen die Langlebigkeit, Wiederverwendbarkeit, Reparaturfähigkeit und Recyclingfähigkeit von Produkten. Politik und Wirtschaft müssen daher im Rahmen der neuen Produktpolitik der EU gemeinsam Kriterien entwickeln, die die Zirkularität von Produkten definieren und dabei auch Zielkonflikte zu weiteren Produktanforderungen entlang des Produktlebenszyklus auflösen. In den kommenden Jahren besteht damit die Chance, eine nachhaltige Produktpolitik zu gestalten.

II.  Märkte für Rohstoffe aus der Circular Economy schaffen

Materialien wie Stahl und viele andere Metalle sowie Glas, Holz und Papier werden schon heute am Ende ihrer Nutzungsphase industriell aufbereitet und sind fester Bestandteil bei der Versorgung der Industrie mit Rohstoffen. Dies gelingt zumeist, da diese Materialien einen positiven monetären Wert aufweisen, da sie in ausreichender Menge bzw. Konzentration in Produkten anfallen und/oder ohne nennenswerte Qualitätsminderungen recycelt werden können. Herausforderungen bestehen heute vor allem bei der Kreislaufführung von einigen Kunststoffen, Technologiemetallen und Verbundwerkstoffen. Um auch für diese Materialien eine möglichst hochwertige Kreislaufführung zu ermöglichen, wird ein Mix aus Instrumenten erforderlich sein. Dazu zählen neue Qualitätsnormen für Materialien und Produkte aus der Circular Economy genauso wie Fördermaßnahmen für Technologien zur Rohstoffrückgewinnung. Zudem muss die politisch bereits begonnene Diskussion um feste Vorgaben zum Einsatz von Rohstoffen aus der Circular Economy (bisher Einsatzquoten bei PET-Flaschen und in Energiespeichern) im engen Dialog mit der Industrie fortgesetzt werden. Entscheidend für den Erfolg dieses Instruments werden seine Praktikabilität und Vollziehbarkeit im Wettbewerb sein.

III. Klimaschutzpotenziale der Circular Economy nutzen

Im völligen Widerspruch zu den Zielen beim Klimaschutz stehen die aktuellen europäischen Vorgaben zur Ablagerung von Siedlungsabfällen. In vielen Mitgliedstaaten der EU werden Siedlungsabfälle immer noch ohne Vorbehandlung deponiert, wodurch u.a. ein erheblicher Ausstoß von Methan entsteht und gleichzeitig wertvolle Rohstoffe verloren gehen. Diese Praxis muss zügig durch rechtliche Vorgaben beendet werden.

Der Einsatz von Rohstoffen, die durch die Aufbereitung und Verwertung von Abfällen zurückgewonnen werden oder die als Nebenprodukte anfallen, kann zudem nachweislich einen ganz erheblichen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasemissionen leisten. Gleiches gilt für Rohstoffe aus Biomasse oder die Nutzung von weiteren alternativen Rohstoffen wie CO2. Da solche Rohstoffe auf unterschiedlichen Stufen von Wertschöpfungskreisläufen eingesetzt werden, wird aber auch ein einheitliches Verständnis dazu nötig sein, wie Emissionsminderungen durch zirkuläres Wirtschaften auf Klimaschutzziele angerechnet werden können.

IV.  Chancen der Digitalisierung ergreifen

Die Zusammensetzung von Produkten spielt eine zentrale Rolle für das Gelingen der zirkulären Wirtschaft. Dies gilt u. a. dann, wenn Produkte sicher widerverwendet, repariert oder recycelt werden sollen. Daher ist es von zentraler Bedeutung, dass in Zukunft intelligente digitale Systeme zur Vorhaltung solcher Informationen genutzt werden. Nach den Vorstellungen der EU-Kommission soll für den Transfer von relevanten Daten entlang von Produkt- und Materialkreisläufen ein digitaler Produktpass geschaffen werden. Für welche Produktinformationen ein solcher Pass, z. B. in Form eines QR-Codes, oder andere Instrumente sinnvoll umgesetzt werden kann, muss Gegenstand intensiver Diskussionen werden.

Fazit Circular Economy

Die Circular Economy bietet für Unternehmen zahlreiche Chancen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Klar ist aber auch, dass der Weg zur zirkulären Wirtschaft mit einer widerspruchsfreien Regulatorik unterlegt sein muss. Zudem muss auch die öffentliche Hand über Anreize im Beschaffungswesen positive Impulse für die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen der Circular Economy setzen. Soll das zirkuläre Wirtschaften die Grundlage der industriellen Wertschöpfung werden, müssen Industrie, Politik und Gesellschaft einen tiefgreifenden Wandel gestalten.

Der Beitrag entstand im Anschluss an den Workshop “ Supply Chain und Circular Economy”, der komplette Workshop ist auf Youtube abrufbar >>

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Bildnachweis: Nannapat Pagtong/iStock