Der Zusammenhalt der Weltgemeinschaft in Katastrophenfällen
Naturkatastrophen haben die Menschheit schon immer stark bewegt, da es in den seltensten Fällen möglich ist, sich gegen Naturgewalten zu wappnen und die Folgen für die betroffenen Gebiete verheerend sind. Die Versorgung dieser Gebiete mit dringend benötigten Hilfsgütern wird zudem durch eine Vielzahl von Hindernissen erschwert. Der Logistik kommt eine Schlüsselrolle zu: Straßen sind zerstört oder überflutet, der Seeweg für schnelle Hilfe zu langsam, Flughäfen können schnell überfrachtet werden. Erinnert sei zum Beispiel an die verheerenden Erdbeben im April und Mai 2015 in Nepal mit vielen tausend Toten und zahlreichen zerstörten Dörfern, an den Tropensturm „Idai“ in Mosambik im März 2019, der hunderttausende in Mosambik und dem Nachbarstaat Simbabwe obdachlos gemacht hat oder die rezente Notsituation in den Bahamas, wo der Hurrikane „Dorian“ wütete. Fehlt eine intakte Infrastruktur oder Organisationsstruktur, ist Expertise entscheidend.
Die Weltgemeinschaft hat früh reagiert. Im Dezember 1991 wurde von der UN Generalversammlung das Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) ins Leben gerufen. In Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und zahlreichen NGOs ist es die Aufgabe von OCHA, humanitäre Hilfsorganisationen in Katastrophenfällen zu koordinieren und zu unterstützen.
Initiativen der Wirtschaft für die humanitäre Hilfe
Eine Vielzahl an Unternehmen aus dem privaten Sektor kooperiert mit den Vereinten Nationen oder aber auch anderen NGOs, um den vielfältigen und dringenden Problemen auf dieser Welt gerecht zu werden. Der Vorteil liegt auf der Hand, denn Unternehmen können auf jahrelange Erfahrung und Fachexpertise sowie Ressourcen und Equipment zugreifen. In diese Private Public Partnerships (PPP) fließen somit unternehmensspezifische Kompetenzen, welche einen hohen Grad an Professionalität gewährleisten und je nach Katastrophenfall einen entscheidenden Unterschied machen können.
Aus Deutschland beispielhaft zu nennen ist die Deutsche Post DHL (DPDHL) Group. Als einer der größten Logistik-Dienstleister der Welt hat es sich das Unternehmen zur Aufgabe gemacht, seine Expertise und Ressourcen für Katastrophenfälle bereitzustellen. Die DPDHL Group hat sich als strategischer Partner der UN etabliert und kann auf eine über 15jährige Partnerschaft zurückblicken. Ein zentraler Pfeiler des gesellschaftlichen Engagements des Logistikunternehmens ist das GoHelp Programm. Dabei handelt es sich um ein Katastrophenmanagement und besteht aus den zwei Programmschwerpunkten Get Airports Ready for Disaster (GARD) und Disaster Response Team (DRT).
Die Logistik, ein Kernbereich in humanitären Hilfsprojekten
Die Bereitstellung und Sicherstellung einer funktionierenden Logistik bei der humanitären Hilfe in Katastrophenfällen ist immer eine große Herausforderung. Erfahrungsgemäß werden alle gängigen und etablierten Logistik- und Verkehrswege unterbrochen oder komplett zum Erliegen gebracht.
Gleichzeitig ist es sehr wahrscheinlich, dass die Kommunikations- und Informationsinfrastruktur ebenfalls betroffen ist. Dadurch geraten Prozesse ins Stocken und den relevanten Behörden und Entscheidungsträgern fehlt es an gesicherten und aktuellen Informationen. Für Hilfsorganisationen ist dies ein erheblicher Rückschlag, da es zu erheblichen Koordinationsproblemen kommt. Für Helfer und Hilfsbedürftige eine frustrierende Situation, denn die Hilfe kommt nicht rechtzeitig an der richtigen Stelle an und kostet unter Umständen Menschenleben.
Über die Jahre hinweg sind aber auch eine Reihe von anderen Problemen identifiziert worden, welche die Logistik behindern. Betroffene Regionen leiden häufig daran, dass Verwaltungsapparate, wie z.B. die Zollbehörde nicht mehr funktionieren. Gleichzeitig fehlt es an Standards, z.B. international anerkannte Kennzeichnungs- und Identifikationssysteme für humanitäre Hilfsgüter, um eine geordnete und vorrangige Behandlung zu gewährleisten.
Außerdem fehlt es oftmals an präventiven Maßnahmen. Es fehlen Notfallpläne, es besteht Mangel an Notfallequipment und vor allen Dingen an geschultem Personal, welches in Krisensituationen einen „kühlen“ Kopf behält. Dieser Schwachstelle widmet sich das Get Airports Ready for Disaster (GARD) Programm der Deutschen Post DHL Group in Kooperation mit UNDP. Flughäfen sind ein extrem wichtiger, aber auch anfälliger Punkt bei der Katastrophenhilfe. Zum einen, weil sich internationale Hilfslieferungen nur per Luftfracht schnell an die Krisengebiete bringen lassen und zum anderen, weil dadurch Flughäfen zu einer Art Nadelöhr werden. Die Abfertigung, Lagerung und der Weitertransport unter den widrigen Umständen muss entsprechend schnell und fachgerecht erfolgen.
In Zusammenarbeit mit zuständigen Behörden werden Präventionsmaßnahmen an Flughäfen durchgeführt. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Flughäfen werden unter Anleitung von Luftfracht- und Logistikexperten von DPDHL geschult sowie Notfallpläne und Dokumente konzipiert, gemäß dem Credo „Hilfe zur Selbsthilfe“, um somit für den Ernstfall gerüstet zu sein. Gleichzeitig ist die Kommunikation und Koordination unter diesen extremen Situationen wichtig und kann gegebenenfalls durch präventive Schulungen optimiert werden.
Empfehlungen für vereinfachte Zollverfahren bei der Versorgung Betroffener
Die ICC hat im Februar 2019 das Positionspapier „ICC Business Recommendations on the Customs Treatment of Relief Shipments in Humanitarian Emergencies“ vorgestellt. Darin macht die Wirtschaft Empfehlungen, wie die Behandlung und Verzollung von Hilfsgütern in Katastrophenfällen verbessert werden kann. Das Ziel ist es, die Logistik für Hilfstransporte im Notfall zu optimieren. Humanitäre Hilfsgüter sind häufig Restriktionen unterworfen, die einen Transport nicht unerheblich erschweren. Zollbehörden sind nur begrenzt erreichbar, Hilfsgüter oder die einem Transport dazugehörenden Dokumente werden extensiv oder langwierig überprüft oder es wird eine Übersetzung der Dokumente in die Landessprache gefordert, die Liste der Hilfsgüter ist unnötig begrenzt oder die Zeitspanne, in der Hilfsgüter in ein Land eingeführt werden können, auf wenige Tage reduziert. Wenn die Infrastruktur in einer grenznahen Region wesentlich beeinträchtigt ist, empfiehlt sich häufig, die Versorgung der betroffenen Gebiete über das Nachbarland sicherzustellen. Wenn jedoch in dem Nachbarland eine Lieferung von Hilfsgütern in kleinere Sendungen kommissioniert wird, erhöhen sich aber die Zoll, Einfuhr- und Ausfuhrformalitäten wesentlich. In einem solchen Fall drohen dann humanitäre Hilfsprojekte an grundsätzlich überwindbaren Hürden zu scheitern oder zumindest sich zu verzögern.
Konkrete Hilfe im Katastropheneinsatz leistet die DPDHL durch ihre Disaster Response Teams. Diese bestehen aus fachkundigen Mitarbeitern, welche sich freiwillig für Einsatzteams melden. Wird durch das Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) ein offizielles Hilfegesuch gestellt, werden die Teams innerhalb von 72 Stunden in die Katastrophengebiete entsendet. Im vorherigen Jahr 2018 kam es in Indonesien durch ein schweres Erdbeben der Stufe 7,5 und einem nachfolgenden Tsunami zu einer schweren Katastrophe. Infolgedessen trat die indonesische Regierung mit einer offiziellen Anfrage an DPDHL, woraufhin drei Disaster Response Team an die zwei strategisch wichtigen Flughäfen in Balikpapan und Palu entsendet wurden Zum einen bestand die Aufgabe darin, bei der Bearbeitung der Luftfracht am Flughafen Balikpapan zu unterstützen und zu koordinieren. Dabei agierte das Team als zentrale Schnittstelle zu den beteiligten NGOs, wie z.B. der UN sowie World Food Programme, als auch dem indonesischem Militär. Des Weiteren bestand eine andere Aufgabe darin, ein Verteilerlager aufzubauen, ankommende Hilfsgüter einzulagern und koordiniert an die benötigten Regionen zu senden. Hier konnte neben der logistischen Hilfestellung auch ein erheblicher Teil der Kooperationsmaßnahmen und Kommunikationswege durch den Einsatz der Teams gesichert werden.
Trotz der widrigen Bedingungen, der Gefahr eines Nachbebens und der katastrophalen logistischen Bedingungen, konnte eine enge Zusammenarbeit der beteiligten staatlichen und nichtstaatlichen Akteure vor Ort etabliert werden. Dem Ausmaß der Katastrophe entsprechend war die indonesische Regierung aktiv eingebunden. Zum einen operativ durch den Einsatz des Militärs, zum anderen durch klare Maßnahmen bzgl. der Einfuhr der Hilfsgüter und zudem durch Koordination auf Länderebene (Government to Government).
Fazit
Jeder Katastrophenfall stellt seine eigenen speziellen Herausforderungen an die internationale Hilfsgemeinschaft und der humanitären Logistik kommt dabei ohne Frage eine entscheidende Rolle zu. Insbesondere wenn die Infrastruktur beeinträchtigt ist, gilt es effektive und effiziente Lösungsansätze zu implementieren. Private Public Partnerships mit Unternehmen aus dem Logistikbereich können dringend benötigte Expertise und Ressourcen einbringen.
Gleichzeitig lassen sich eine Vielzahl an anderen Herausforderungen und Hürden identifizieren, welche es der humanitären Logistik erschweren, wie z.B. Beeinträchtigung der Kommunikation und Koordination und speziell der Umgang mit Behörden und der Zoll- und Warenabfertigung von Hilfsgütern. Es wird ersichtlich, dass präventive Maßnahmen dringend notwendig sind und es zudem an international gültigen und standardisierten Prozessen und Kennzeichnungsregularien fehlt, um der humanitären Logistik im Krisenfall die benötigte Priorisierung und erleichterte Einfuhr zu gewährleisten. Die ICC hat in ihrem Positionspapier „ICC Business Recommendations on the Customs Treatment of Relief Shipments in Humanitarian Emergencies“ konkrete Empfehlungen gemacht, um zukünftigen Hilfsprojekten eine bessere Ausgangslage zu schaffen.
Der Beitrag ist im ICC-Germany-Magazin, Nr. 9, erschienen. Mehr über unser Magazin erfahren und kostenfrei abonnieren.
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