Inhalt
- Wann und wo setzen deutschsprachige Unternehmen auf Schiedsverfahren?
- Warum setzten Unternehmen auf Schiedsklauseln in internationalen Verträgen?
- Welche Aspekte einer Schiedsvereinbarung sind aus Sicht eines Unternehmens besonders relevant?
- Wonach suchen deutschsprachige Unternehmensjuristen die Schiedsinstitution aus?
- Was sind die Gründe für die Wahl des Schiedsortes? Kann man Deutschland auch international noch attraktiver machen?
ICC-Germany: Wann und wo setzen deutschsprachige Unternehmen auf Schiedsverfahren?
Marenkov: Über 80% der Befragten im deutschsprachigen Raum setzen bei Verträgen mit Geschäftspartnern aus dem Nicht-EU-Ausland bevorzugt auf Schiedsklauseln in internationalen Verträgen, und zwar entweder als „einfache“ Schiedsklauseln oder als mehrstufige Streitbeilegungsklauseln, die die Durchführung von Verhandlungen und/oder einer Mediation vor Einleitung eines Schiedsverfahrens voraussetzen. Bei Verträgen mit dem EU-Ausland zieht eine knappe Mehrheit, vermutlich aus Kostengründen, einen Gerichtsstand in Deutschland vor. Jedoch bevorzugen rund 45% der Umfrageteilnehmer auch bei EU-internen Streitigkeiten Schiedsklauseln. Bei Konstellationen, in denen man von der Verwendung von Schiedsklauseln absehen würde, wurden Fälle mit einem geringen Streitwert sowie Sachverhalte ohne Auslandsbezug genannt. Bemerkenswert ist, dass nach Meinung von mehr als 2/3 der Befragten Schiedsverfahren schneller als internationale Gerichtsverfahren sind. Weniger als 3% der Umfrageteilnehmer gaben an, dass Schiedsverfahren teurer und langsamer als internationale Gerichtsverfahren sind.
ICC-Germany: Warum setzten Unternehmen auf Schiedsklauseln in internationalen Verträgen?
Marenkov: Die Teilnehmer der GTAI-Umfrage haben die „klassischen“ Vorteile angeführt: an erster Stelle die Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen, gefolgt von einfacherer Konsensfähigkeit in internationalen Vertragsverhandlungen. Ebenfalls wichtig sind die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens sowie die Möglichkeit der Wahl der Schiedsrichter und der Verfahrenssprache. Deutlich dahinter folgen die kürzere Dauer von Schiedsverfahren und die Flexibilität.
Menz: Bei Bombardier Transportation schätzen wir dies ähnlich ein, wobei für unser Unternehmen die Möglichkeit der Schiedsrichterwahl und die Vertraulichkeit von besonderer Bedeutung ist. Die Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen ist für uns weniger wichtig, auch weil in vielen Industrien der Grad der freiwilligen Befolgung hoch ist. Dies ist teils dem Interesse am Erhalt des Rufs als vertragstreuer Partner oder der Geschäftsbeziehung, allerdings vor allem auch dem grundsätzlich gut funktionierenden New Yorker Übereinkommen geschuldet, wonach die Nichtbefolgung eines Schiedsspruchs in vielen Fällen lediglich eine teure und aussichtslose Verzögerungstaktik bedeutet. Im Zuge der Corona-Krise (Stichwort „virtuelles Verfahren“) wird der Vorteil der flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten im Schiedsverfahren möglicherweise an Bedeutung gewinnen.
ICC-Germany: Welche Aspekte einer Schiedsvereinbarung sind aus Sicht eines Unternehmens besonders relevant?
Marenkov: Gemäß GTAI-Umfrage steht das anwendbare Recht an erster Stelle und die Schiedsinstitution und der Schiedsort auf den Plätzen zwei und drei. Die Verfahrenssprache und das auf die Schiedsklausel anwendbare Recht folgen dahinter. Nach Entstehen der Streitigkeit ist häufig keine Einigung mehr, auch über prozessuale Fragen, zu erzielen. Daher sollte die Schiedsvereinbarung gut durchdacht sein und nicht selbst zusätzliches Streitpotential liefern.
Menz: Der Umstand, dass Schiedsort, Institution und anwendbares Recht nicht gleichlaufen müssen, eröffnet Verhandlungsspielräume. Sind nicht alle Präferenzen durchsetzbar, würden viele Unternehmen wohl den Schiedsort als wichtigsten Aspekt bewerten, jedenfalls vorausgesetzt, es stehen Institutionen von vergleichbarer Qualität zur Auswahl. Er bestimmt das anwendbare Schiedsrecht, die für Unterstützungshandlungen und Aufhebungsanträge zuständigen Gerichte und hat mittelbaren Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichts. Das materiell anwendbare Recht ist in der Praxis oft zweitrangig, weil es in den meisten Schiedsverfahren um strittige (nicht selten technische) Sachfragen oder abschließende Vertragsregeln geht, deren Auslegung international zunehmend ähnlichen Prinzipien folgt.
ICC-Germany: Wonach suchen deutschsprachige Unternehmensjuristen die Schiedsinstitution aus?
Menz: Ausschlaggebend bei der Wahl der Schiedsinstitution sind gemäß Umfrage vor allem deren Bekanntheitsgrad und Ansehen, der Gleichlauf von Institution/Schiedsort/anwendbares Recht, sowie die Besonderheiten der jeweiligen Schiedsordnung. Daneben spielen Gesichtspunkte wie der Sitz der Schiedsinstitution, persönliche positive und negative Erfahrungen aus vorherigen Schiedsverfahren, die Höhe der Gebühren und die Verfügbarkeit von qualifizierten Schiedsrichtern eine Rolle.
Marenkov: Laut unserer Umfrage – Mehrfachnennungen möglich – werden Schiedsklauseln am häufigsten zu Gunsten der Internationalen Handelskammer ICC (70%), gefolgt von der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit DIS (61%) vereinbart. Die führende Position der ICC in Deutschland ist nicht überraschend, wenn man die hohe Zahl von ICC-Schiedsverfahren mit Beteiligung deutscher Parteien und Schiedsrichter berücksichtigt. Auch die 2018 durchgeführte Studie des Queen Mary College der University of London ermittelte die ICC als die international bevorzugteste Schiedsinstitution.
ICC-Germany: Was sind die Gründe für die Wahl des Schiedsortes? Kann man Deutschland auch international noch attraktiver machen?
Menz: Bei den Teilnehmern der Umfrage führt der Schiedsort Deutschland vor der Schweiz, Paris und Singapur. Wichtig bei der Wahl des Schiedsortes sind für uns und andere Unternehmen vor allem das anwendbare Schiedsrecht und die Kompetenz der staatlichen Gerichte am Schiedsort. Nicht selten besteht die ausländische Vertragspartei auf einem neutralen Drittland, weswegen deutsche Unternehmen in internationalen Verträgen an andere Schiedsorte ausweichen. Um den Schiedsort Deutschland attraktiver zu machen, müsste er auch sprachlich internationaler werden und im Ausland von den verschiedenen Stakeholdern stärker und gemeinschaftlicher vermarktet werden. Auch eine Zuständigkeitskonzentration in Schiedssachen bei wenigen OLGs und eine kluge Reform des 10. Buchs der ZPO könnten den Ruf des Schiedsorts stärken.
Marenkov: In Gesprächen auf internationalen Konferenzen, z.B. in Osteuropa, erlebe ich immer wieder, wie wenig im Ausland über die Schiedsgerichtsbarkeit in Deutschland bekannt ist. Bei Aufzählung von möglichen Optionen im Bereich der internationalen Streitbeilegung kommt Deutschland mitunter gar nicht vor. Dabei bringt Deutschland alles mit, um eine viel bedeutendere Position auf der Arbitration-Weltkarte einzunehmen. Dafür ist meines Erachtens deutlich mehr Präsenz im Internet und auf Veranstaltungen notwendig, insbesondere in Regionen mit traditionell hoher Affinität zu Deutschland sowie in Ländern, die Nachholbedarf bei der Entwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit haben. Nicht immer lässt sich ein Schiedsort in Deutschland durchsetzen. Es sollte aber zumindest zu den Optionen gehören.
Germany Trade & Invest hat im Juni 2020 die Ergebnisse einer Kurzumfrage zur Verwendung von Schiedsklauseln in grenzüberschreitenden Verträgen veröffentlicht. Über 100 Unternehmensjuristen und Wirtschaftsanwälte aus dem deutschsprachigen Raum nahmen teil. www.gtai.de/schiedsgerichtsbarkeit
Der Beitrag zum Thema „Schiedsklauseln in internationalen Verträgen“ ist im ICC-Germany-Magazin, Nr. 11, erschienen. Mehr über unser Magazin erfahren und kostenfrei abonnieren.
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