Der Wert – das Wort, das verbindet
IP-Vermögenswerte werden heute im Allgemeinen als wertvoll verstanden. Sie spielen bei den strategischen Geschäftsentscheidungen eine entscheidende Rolle. Daher hat die Bewertung von IP-Rechten und Vermögenswerten in den letzten Jahren an Bedeutung hinzugewonnen. Aktuell dient sie nicht nur externen Zwecken im Rahmen verschiedener Transaktionen, sondern ist auch zu einem unverzichtbaren Bestandteil interner Entscheidungsprozesse geworden.
IP-Rechte existieren in unterschiedlicher Form. Sie sind für die verschiedensten Bereiche der Wertschöpfungskette des Unternehmens – wie zum Beispiel Forschung und Entwicklung, Recht, IP, Buchhaltung, Vertrieb, Marketing oder Steuern – und die unterschiedlichen Akteuren relevant. Jeder der Akteure versteht die Schutzrechte in ihrem eigenen Kontext mit jeweils unterschiedlicher Konnotation. Alle Beteiligten innerhalb oder außerhalb eines Unternehmens vereint ein Wort „der Wert.“ Das ICC-Handbuch soll allen Interessengruppen eine Orientierungshilfe bieten, die Grundsätze und Methoden zur Ableitung eines Wertes des jeweiligen IP-Rechtes zu verstehen.
Zuerst klären: Bewertungszweck und Adressaten
Der wichtigste Parameter in jedem Bewertungsprozess ist es, den Zweck der Bewertung zu verstehen. Dies gilt auch für die Bewertung von IP-Vermögenswerten. Derjenige, der die IP-Bewertung durchführt, muss den Bewertungszweck kennen. Das ICC-Handbuch gibt einen Überblick, in welchen Kontexten – und mit welcher Zielsetzung – Unternehmen die monetären Werte ihrer IP-Vermögenswerte ermitteln. Daneben ist es entscheidend, an wen sich der Bewertungsbericht richtet. Geht er an interne Adressaten wie z.B. einen Lizenzmanager für eine Vertragsverhandlung oder an externe Adressaten? Ohne eine klare Definition des Bewertungszwecks und der Zielgruppe kann keine detaillierte IP-Bewertung durchgeführt werden.
Bewertungsmethoden – quantitativ und qualitativ
Die IP-Bewertungsmethoden weisen Ähnlichkeiten in der Konzept- und Basisdefinition mit Bewertungen anderer Arten von Vermögenswerten auf. Die wichtigsten Ansätze in der IP-Bewertung sind der Kostenansatz, der Ertragsansatz und der Marktansatz. Personen, die mit dem Bewertungsthema nicht vertraut sind, gehen manchmal davon aus, dass es bei der Bewertung darum geht, Zahlen in ein System oder Excel-Sheet einzutragen. Wie bei jeder Bewertung gilt jedoch, je mehr der Gutachter über den Kontext weiß und versteht, desto genauer und zuverlässiger ist die Bewertung. Der Gutachter muss beurteilen, ob und inwieweit das IP-Recht zur Schaffung eines wirtschaftlichen Nutzens beiträgt und weiterhin beitragen wird. Dazu gehört eine enge Verbindung zu den verschiedenen Stakeholdern, wie beispielsweise Forschung und Entwicklung, Vertrieb, Marketing, Finanzen, IP, Recht und Steuern. Nur dann ist es möglich, die Entwicklung und Nutzung des IP, die Marktdynamik und das Zukunftspotenzial umfassend zu verstehen.
Das bedeutet, dass jeder Gutachter sowohl eine qualitative als auch eine quantitative Bewertung des IP durchführen muss. Bei der qualitativen Bewertung muss der Gutachter verschiedene Faktoren berücksichtigen, wie z.B. die Stärke eines Patents und seinen Rechtsstatus, Größe und Wachstum des Marktes, die Wettbewerbslandschaft oder das Tempo des technologischen Wandels. Die quantitative Bewertung hingegen ist die tatsächliche Schätzung des monetären Wertes des IP auf der Grundlage der gängigen Bewertungsansätze – des Ertrags-, Kosten- und Marktansatzes. Die Definitionen und Begründungen der Bewertungsansätze sind relativ einfach zu verstehen und umzusetzen. Die Komplexität liegt darin, dass selbst in der quantitativen Bewertung viele der Variablen subjektiv sind. Das ICC-Handbuch bietet den Lesern vertiefte Erläuterungen zu den bestehenden Bewertungsansätzen und deren zugrundeliegenden Methoden. Die Verfasser des Handbuchs geben zudem einen Überblick zu deren gelungener Anwendung in der Praxis. Sie sollen den Lesern helfen, die Komplexität zu verstehen und dann ggf. auch auf das eigene Unternehmen angepasste Lösungen zu finden.
Wandel der Rahmenbedingungen
Der Umgang mit IP entwickelt sich weiter. Er verändert sich nicht nur im Kontext der IP-Erstellung, sondern auch bei der Transaktion und der Kommerzialisierung, gerade in Zeiten einer stärkeren Vernetzung. Transaktionen erfolgen grenzüberschreitend, dies gilt auch für die Vermögenswerte inklusive IP. Die Experten der Arbeitsgruppe widmeten daher diesem Thema ein ganzes Kapitel und benennen Erfahrungswerte und Best Practice-Beispiele bei der Durchführung der IP-Bewertung im Hinblick auf Verrechnungspreise und Zollzwecke mit.
Zu den großen Veränderungen gehören auch neu entstehende Geschäftsmodelle, welche auch einen Einfluss auf die IP-Bewertung haben. Das bedeutet, dass die Methoden zur IP-Bewertung zwar bestehen bleiben, sich ihre Ausführung aber wesentlich ändert.
Fazit
Das ICC-Handbuch verfolgt das Ziel, das komplexe und sich weiterentwickelnde Thema der IP-Bewertung einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Rund 30 Wirtschaftsexperten der ICC-Kommission aus unterschiedlichen Bereichen – wie z.B. IP/Recht, Unternehmensbewertung, Steuer oder Zoll – haben mit ihrem Know-how dazu beigetragen. Daraus entstanden ist ein nützliches Referenzinstrument für jeden, der vor einer IP-Bewertungsfrage steht. Das ICC-Handbuch unterstützt Unternehmen aller Größen, Institutionen und Einzelpersonen den Bewertungsprozess, die zugrunde liegenden Ansätze und Methoden besser zu verstehen.
Der Beitrag ist im ICC-Germany-Magazin, Nr. 09, erschienen. Mehr über unser Magazin erfahren und kostenfrei abonnieren.
Bildnachweis: © chatchaisurakram – istockphoto.com