Inhalt
- Verhandlungsstand und Entlastungspotentiale eines transatlantischen Freihandels- und Investitionsabkommens (TTIP)
- Das Trade Technology Council (TTC) als Initiative für transnationale Zusammenarbeit
- Der CBAM als Mittel zur Implementierung der EU-Nachhaltigkeitsstrategie
- US-Inflation Reduction Act zur Förderung des Klimaschutzes und anderer Ziele
- Fazit
Das Spielfeld der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen im Bereich Zoll und Handel, Ausfuhrkontrolle sowie Verbrauchssteuern unterliegt einem ständigen Wandel. Aktuelle Anpassungen und Ergänzungen in der Gesetzgebung sollen dazu beitragen, den transatlantischen Geschäftsverkehr zu erleichtern und zugleich sicherstellen, dass Unternehmen zukünftig verstärkt Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien, im Fachjargon auch bekannt als „ESG-Kriterien“, einhalten.
Es ist mittlerweile breiter Konsens bei allen Wirtschaftsteilnehmer:innen, dass eine nachhaltige, sozial verträgliche und gleichzeitig ökonomisch wohltuende Förderung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und den USA nur dann erreicht werden kann, wenn auf Basis der geteilten Werte gemeinsame Rechtsgrundlagen zur Erreichung der genannten Ziele geschaffen werden.
Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden auf die wesentlichen Ansätze in der Gesetzgebung beider Handelspartner eingegangen, welche die internationalen Handelsbeziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der EU in den nächsten Jahren prägen werden.
Verhandlungsstand und Entlastungspotentiale eines transatlantischen Freihandels- und Investitionsabkommens (TTIP)
Seit 2013 wurden zwischen der EU und den USA Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandels- und Investitionsabkommen geführt, dass in den Medien unter dem Akronym TTIP („Transatlantic Trade and Investment Partnership“) bekannt ist.
Das Abkommen sollte vorrangig den Handel zwischen zwei der weltweit größten Wirtschaftsräume erleichtern, indem insbesondere Zölle und Handelshemmnisse abgebaut werden. Zudem sollte es auch den Investitionsschutz für Unternehmen verbessern sowie die Zusammenarbeit in Bereichen wie beispielsweise der technischen Marktzulassungsregulatorik harmonisieren.
Doch bereits während der Ausarbeitung der Grundzüge des Vertrages stieß das Abkommen auf großen Widerstand in der Öffentlichkeit sowie bei einigen EU-Mitgliedsstaaten. Insbesondere die europäischen Kritiker:innen befürchteten, dass TTIP zu einer Absenkung von Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitnehmerstandards führen könnte. Neben dem umstrittenen Investitionsschutz wurde auch der zunehmende Konkurrenzdruck zwischen Unternehmen beider Wirtschaftsräume als zum Teil nachteilig für bestimmte Akteur:innen gesehen.
In Folge der zunehmenden Kritik der Öffentlichkeit sowie der Schwierigkeit der Parteien, eine Einigung zu erzielen, wurden die Verhandlungen im Jahre 2016 ausgesetzt. Mit der Amtseinführung des republikanischen Präsidenten Donald Trump 2017 setzte sich die US-Administration verstärkt für protektionistische Maßnahmen ein. Dies zeigte sich u.a. am temporären Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen sowie der Erhebung von Strafzöllen auf bestimmte Aluminium-, Eisen- und Stahlprodukte mit EU-Ursprung, was auch eine Fortsetzung der TTIP-Verhandlungen zusätzlich erschwerte.
Mit dem Wechsel der Regierungsverantwortung in den USA zu den Demokraten hat die EU jedoch begonnen, Verhandlungen zu einzelnen kleineren Kooperationsabkommen mit den Vereinigten Staaten aufzunehmen. Die angestrebten Einzelabkommen sollen sich dabei nur auf gezielt ausgewählte Bereiche konzentrieren, in denen die Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA verbessert werden kann, ohne dass gleichzeitig umstrittene Themen wie Investitionsschutz oder regulatorische Harmonisierung berücksichtigt werden müssen. Derartig fokussierte Abkommen würden es insofern ermöglichen, den Handel zwischen beiden Parteien zu stärken, ohne vorherrschende Standards in den genannten Bereichen zu senken.
Allerdings werden auch hier erneut Bedenken geäußert, dass die neuen Abkommen ähnliche Probleme wie das vorangegangene TTIP aufwerfen könnten. Auch die Auswirkungen auf Umwelt, Arbeitnehmerrechte und Verbraucherschutz sind umstritten.
Andererseits würden neue Kooperationsabkommen deutliche Potenziale eröffnen. So könnte eine gemeinsame Digitalisierung und Erleichterung der Zollabwicklung zwischen den beiden Wirtschaftsräumen, beispielsweise mittels eines grenzüberschreitenden Anschreibeverfahrens (Eigenverlagerung) sowie die Einführung einer globalisierten Zollanmeldung in Verbindung mit der Abschaffung transaktionsbezogener Zollanmeldungen zu einer Verbesserung des grenzüberschreitenden Handels führen. Weiterhin könnte ein gemeinsames Programm zur Zollkostenoptimierung, beispielsweise in Form der Reduktion des Zollwerts um immaterielle Kostenbestandteile wie Software, Entwicklungskosten, Homologationskosten und Ähnliches monetäre Vorteile mit sich bringen. Im Rahmen eines Freihandelsabkommens spricht man hierbei über die sog. Mode-5-Liberalization. Dies bedeutet, dass, falls ein Produkt keinen Präferenzursprung erreichen würde, dennoch immaterielle Servicekosten aus dem Zollwert herausgerechnet werden könnten und Abgaben entsprechend lediglich auf den Differenzbetrag erhoben würden. Dies könnte insofern ausgeweitet werden, dass grundsätzlich zwischen Vertragspartnerstaaten keine Zölle auf die lokale Wertschöpfung erhoben werden. Dieser Gedanke wäre zukunftsweisend und würde zudem dem Grundgedanken eines Freihandelsabkommens entsprechen, ist jedoch bisher noch in keinem Abkommen enthalten.
Eine weitere Entlastung könnte auch die Vereinfachung der produktspezifischen Ursprungsregeln sein, sodass nur noch in besonders schützenswerten Bereichen die Verwendung von Wertschöpfungsregeln vorgeschrieben wäre. Des Weiteren könnte auch die Förderung und Stützung gemeinsamer EU-US Programme zum digitalen Austausch von Compliance-Informationen in der Wertschöpfungskette (z.B. CO2-Fußabdruck, Menschenrechte, Sozial- und Umweltstandards) den Warenzugang erleichtern, spätestens sobald die aus dem europäischen Green Deal resultierenden Nachhaltigkeitsgesetze in Kraft treten.
Insgesamt ist noch unklar, wie sich die Verhandlungen über die einzelnen Kooperationsabkommen entwickeln werden und welche konkrete Ausgestaltung der völkerrechtliche Vertrag annehmen könnte. Beispielsweise fordert die EU derzeit als Reaktion auf den „US – Inflation Reduction Act“ eine abgeschwächte „grüne“ TTIP-Version. Dabei ist jedoch bereits augenscheinlich, dass bei sämtlichen Vertragsverhandlungen große Hürden bewältigt werden müssen. Dennoch ist aufgrund der globalen Herausforderungen, wie beispielsweise dem Klimawandel, die internationale Zusammenarbeit zwischen sämtlichen internationalen Akteur:innen unausweichlich. Es wird mehr benötigt als politische Wortkunst, um den Handel zwischen der EU und den USA tatsächlich zu stärken und daneben auch die Erfüllung sozialer und ökologischer Kriterien sicherzustellen. Mit einem „TTIP 2.0“ inklusive einer gemeinsamen grünen Agenda („Climate-club of like-minded countries“) könnten die USA und die EU eine Vorreiterrolle im Bereich der grünen und digitalen Transformation einnehmen.
Das Trade Technology Council (TTC) als Initiative für transnationale Zusammenarbeit
Zusätzlich zu den Verhandlungen über Kooperationsabkommen hat die EU im Jahr 2021 gemeinsam mit den USA das sog. Trade and Technology Council (TTC), konstituiert. Dieses Gremium soll unter Leitung der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie dem US-Präsidenten Joe Biden die Zusammenarbeit und den Austausch zwischen der EU und den USA in Bereichen wie Handel, Technologie und Innovation fördern – und basierend auf den gemeinsamen Werten Antworten auf globale Herausforderungen finden.
Für diesen Zweck ist das Gremium in mehrere Arbeitsgruppen unterteilt, die sich mit verschiedenen Themen befassen. Dies umfasst insbesondere die digitale Wirtschaft, Cybersicherheit, Künstliche Intelligenz (KI) sowie grüne Technologie und Wahrung der Menschenrechte. Zudem soll das TTC dazu beitragen, dass die Datenschutzstandards zwischen den Parteien harmonisiert werden und der freie Datenverkehr erleichtert wird. Besonders hervorzuheben ist zudem die Initiative für „sustainable trade“ mit Fokus auf Steigerung des „grünen“ Handels und der Investitionen sowie auf die Unterstützung einer emissionsarmen Kreislaufwirtschaft. Auch hier bestehen wieder Schnittstellen zwischen Handelsinitiativen und ESG-Kriterien.
Insgesamt stellt das TTC einen vielversprechenden Ansatz zur Förderung der bilateralen Zusammenarbeit dar, insbesondere in Feldern des Handels und der gegenseitigen ausländischen Direktinvestitionen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob und wie das TTC seine intendierte Wirkung tatsächlich entfalten wird und ob es dazu beitragen kann, die bestehenden unterschiedlichen Auffassungen zwischen der EU und den USA nachhaltig zu überwinden.
Handelsbeziehungen werden nicht rein durch wirtschaftliche Faktoren gelenkt, sondern auch politische, ökologische und soziale Aspekte finden verstärkt Einfluss.
Der CBAM als Mittel zur Implementierung der EU-Nachhaltigkeitsstrategie
Ein weiteres wichtiges Thema bei den aktuellen Handelsverhandlungen zwischen der EU und den USA ist der sog. Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) der EU. Hierbei handelt es sich um ein Emissionshandelssystem für in die EU importierte emissionsintensive Waren, die aufgrund ihrer hohen CO2-Emissionen bei der Produktion außerhalb der EU einen Wettbewerbsvorteil gegenüber europäischen Produkten aufweisen, da die in der EU produzierten Produkte strengeren und kostenintensiveren Nachhaltigkeitsauflagen unterliegen als die importieren Produkte. CBAM ist somit ein Teil vieler Bemühungen der EU im Rahmen ihres „Fit für 55“-Plans, ihre Klimaziele zu erreichen und eine CO2-neutrale Wirtschaft zu schaffen. Der Grenzausgleichsmechanismus könnte jedoch zu Handelskonflikten mit den Ländern führen, die keine vergleichbaren Klimaschutzmaßnahmen umsetzen.
Auch in Bezug auf die Beziehungen zwischen der EU und den USA im Speziellen könnte der CBAM Auswirkungen haben. Zum einen gibt es in den USA ebenfalls Bestrebungen, den Klimaschutz zu stärken und CO2-Emissionen zu reduzieren. Eine gemeinsame Herangehensweise an das Thema könnte daher zu einer Stärkung der Beziehungen beitragen. Zum anderen könnte der CBAM aber auch zu Spannungen führen, denn die USA befürchten, dass CBAM zu einer Diskriminierung amerikanischer Produkte führen könnte. Es bleibt somit abzuwarten, wie sich der CBAM auf die Beziehungen zwischen der EU und den USA auswirken wird. Eine Erleichterung könnte erreicht werden, sofern die USA ein Emissionshandelssystem einführen würden, dass eine Anrechenbarkeit einer US-CO2-Abgabe im EU-CBAM ermöglicht. Auch hier wird deutlich, dass Handelsbeziehungen nicht rein durch wirtschaftliche Faktoren gelenkt werden, sondern verstärkt auch politische, ökologische und soziale Aspekte Einfluss finden.
US-Inflation Reduction Act zur Förderung des Klimaschutzes und anderer Ziele
Auch die USA haben im August 2022 mit ihrem milliardenschweren „Inflation Reduction Act“ (IRA) ein Investitionspaket mit Fokus u.a. auf Klimaschutz, Energiesicherheit, Unternehmensbesteuerung sowie Förderung des Gesundheitswesens verabschiedet, um die Wirtschaft Amerikas zukunftsfähig zu machen. Seitens der EU wird befürchtet, dass die günstigeren Energiepreise und Subventionen der USA EU-Unternehmen zur Verlagerung ihres Produktionsstandortes in die USA bewegen und damit die Wettbewerbsfähigkeit der EU nachhaltig negativ beeinflusst wird. Weitere Differenzen gibt es auch im Hinblick auf dem Markt für batterieelektrische Fahrzeuge sowie im Clean-Tech Sektor. Im Rahmen einer transatlantischen Task Force haben bereits Vertreter:innen der USA und der EU nach Konfliktlösungen gesucht. Eine europäische Reaktion auf den IRA abseits des im Februar 2023 vorgestellten „Green Deal Industrial Plan“ sowie des vor kurzem seitens der EU geforderten „Mini-TTIPs“ steht allerdings noch aus. Auch unterscheiden sich die Meinungen im Hinblick auf die Modalitäten eines möglichen weiteren Reaktionspaketes. Sollte zudem eine Bewertung des IRA ergeben, dass dieser bei seiner Umsetzung weiterhin diskriminierend sei, könnte die EU gewillt sein, ein WTO-Verfahren gegen die USA einzuleiten. Es gilt somit auch hier, die aktuellen Entwicklungen und deren Auswirkungen zu verfolgen.
Fazit
Der transatlantische Wirtschaftsraum boomt. Investitionen und Handel könnten jedoch noch stärker wachsen, wenn die EU und die Vereinigten Staaten ihre jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen im Bereich Zoll und Handel sowie Ausfuhrkontrolle weiter harmonisieren würden. Momentan sieht es jedoch eher danach aus, dass die beiden größten Wirtschaftsräume auf der einen Seite in einen Subventions-Wettbewerb bei der Anwerbung ausländischer Investitionen und Kapital eingetreten sind und auf der anderen Seite ausgewählte Einfuhrgüter staatlich reglementieren, um die eigene Wirtschaft zu schützen. Langfristig ist dies für beide Seiten nicht die beste Entwicklung.
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